Der Helmstedter Musiker Siggi erlebt musikalische Abenteuer, wie sie größer wohl nicht möglich sind hierzulande – Ein Update über seine neue Platte, Grönemeyer und alte Freundschaften.
Im März 2021 sprach ich das erste Mal mit Siggi für die SUBWAY. Der Musiker Simon Günther, wie er bürgerlich heißt, hatte gerade seine erste Solo-EP unter dem Pseudonym Siggi the Kid rausgebracht, Corona war Thema Numero Uno, irgendwie war alles anders. Sein bedroom-Rap auf der Coming-Of-Age Scheibe 38666 passte gut ins Bild. Drei Jahre Später nun kann man festhalten, dass der Schritt zum Solo-Artist für Siggi, der bis dahin als Sänger und Bassist der Helmstedter Post-Punk-Band Wolkenkratzer in Erscheinung getreten war, wirklich viel losgetreten hat. Die DIY-EP zog ihre Kreise, fand Anklang und ermöglichte dem als Krankenpfleger tätigen Musiker die Erweiterung seiner Ambitionen. Heute sitzen wir uns gegenüber, trinken Kaffee und unterhalten uns über alles Mögliche. Siggis Geschichten faszinieren mich. 2023 folgte die zweite EP Blum, inklusive namentlichen Neustart: „Ich hab mir gedacht, okay, ich bin jetzt 30, zwar fänd ichs auch irgendwie cool, mit 60 noch Mucke zu machen und dann noch Siggi the Kid zu heißen, aber allein phonetisch kommt nur ‚Siggi‘ einfach ein bisschen smoother. Das ist real, das ist schon immer mein Spitzname.“ Der Neustart fand dann direkt mal in größeren Fahrwassern statt. Für die Produktion der zweiten EP verschlug es das musikalische Gespann aus Siggi und seinen engen Freunden Philipp Preiß und Constantin Kopp, der bei Wolkenkratzer am Schlagzeuger saß, ins Haus Irmgard, einen Studio-Wohnkomplex in der Nähe von Hamburg, auf das sie durch das ehemalige Funk-Format „Sounds Of“ auf YouTube aufmerksam geworden waren. In einer Folge war auch Rapper Disarstar gefeauturet worden, der im Haus Irmgard seine Tracks produziert. „Daraus ist eine Freundschaft zu Mina und Timo entstanden, die das Haus Irmgard betreiben. Ich habe dort dann auch Disarstar kennengelernt, der mir wiederum einen Kontakt zu Grönland hergestellt hat“, entspinnt Siggi die wunderbare Verkettung glücklicher Begegnungen. Denn dieser Kontakt zu Grönland, dem Label des Sängers mit dem Ö im Namen und in der Stimme, hat letztlich Gutes Bewirkt. Die zweite EP erschien letztes Jahr also auf dem Label von Herbert Grönemeyer, genau wie die Brandneue jetzt. Am 30. August veröffentlichte Siggi Wovon träumst du eigentlich (Review auf Seite 19).
Support für Herbert Grönemeyer
Das neue Material, geschrieben – typisch Siggi Style – mit den alten Freunden von früher kommt sehr rechtzeitig, sein Publikum und die Aufmerksamkeit für die Musik dürfte sich seit Juni nämlich nochmal ein Stück vergrößert haben; denn auf einmal kam da Anfang des Jahres eine gewisse Anfrage um die Ecke: „Als es im Raum stand, dass wir Support für Grönemeyer spielen könnten, war das super surreal.“, erinnert sich Siggi. Schlussendlich wurde dann jedoch genau das tatsächlich sehr real. Für die „40 Jahre Bochum“-Jubiläumstour des kommerziell erfolgreichsten gegenwärtigen Sängers hierzulande, stand der Name „Siggi“ plötzlich mal für den 6. Juni in Dresden und 8. Juni in der Berliner Waldbühne mit auf dem Plakat. „Wir brauchten dann erstmal eine Liveband, die es bis dahin nicht gab.“, erinnert sich der bisher höchstens mal vor einem tausender Publikum mit Constantin an der Gitarre und seinem Bassistenkumpel Finn spielende Sänger. „Also haben wir Jan Kaspers von Constantins Projekt Dolphin Love als Drummer geholt und deren Techniker Max war auch an Bord.“ Für Fotos und das Bewegtbild kamen ebenfalls gute Freunde mit. Mina aus dem Haus Irmgard, sowie Gideon Rothmann aus Münster, der lange Jahre in Braunschweig musikalisch und als Fotograf aktiv war – Fun Fact: Eine Zeit lang auch für SUBWAY. „Es ist eine coole Gang mit einer guten Connection, sowohl auf als auch vor oder hinter der Bühne, wir waren super vorbereitet und dadurch gar nicht wirklich nervös.“ Der Deal: „Hinfahren, das machen, was wir gerne machen und eine geile Show spielen“, fasst es Siggi zusammen.
Größeres Publikum, weniger Lampenfieber
Und das hat geklappt. Bei Herbies Tourauftakt vor 30.000 Menschen im Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion und 22.500 Leuten in Berlin wurde die Band herzlich empfangen: „Ey wir wussten ja gar nicht, wie sich das denn überhaupt anfühlen soll, vor so vielen Leuten zu spielen und ich glaube, das war gut, dass man das nicht wusste.“ Im Vergleich zu den intimeren Clubshows oder Festivalgigs, hätten die Menschenmassen fast beruhigend gewirkt, wie Siggi erzählt: „Je weniger es sind, desto aufgeregter bin ich. Wenn du aber bei diesen zwei Locations in die letzte Reihe guckst, realisierst du zwar, ‚ah, da sitzen Leute‘, aber du erkennst gar keine Gesichter mehr, es wird anonymer und ich fühl mich weniger nackt.“
Ein großes Danke
Und der Gastgeber? Wie war der denn so? „Wir wollten irgendwie auch nicht stören, da in der Hektik alle arbeiten lassen“, erzählt Siggi verschmitzt. „Sowas ist für uns halt total ungewohnt, aber natürlich wollten wir ihn treffen, uns bedanken für das alles.“ In Dresden wurde daraus nichts, für Berlin nahm sich die Abordnung ein Herz, denn sonst sei das vom Gefühl so, „als wäre man auf einem Geburtstag eingeladen, aber würde dem Geburtstagskind gar nicht gratulieren“, schmunzelt Simon. In Berlin betrat Herbert dann den Backstage der Vorgruppe. „Wie geht’s, alles gut bei euch, habt ihr Spaß“, ein bisschen Smalltalk. Dann die Blumen. „Wir wollten da ein paar Blumen überreichen; man das ist die 40-Jahre Jubiläumstour zum Album 4630 Bochum. Dieses Album ist ein musikhistorisches Zeugnis, das ist Kult, das ist Legendär! Das ist eine riesige Ehre, hier spielen zu dürfen!“ Der Gruß kam an. „Wir hatten zufällig keine Vase dabei“, lacht mein Gegenüber, doch das Catering half aus: „Die hatten witzigerweise eine leere Dose Weißkäse in Salzlake für uns. In dieser wunderschönen Dose haben wir den Strauß im Wasser dann übergeben. Er hat das sehr humorvoll aufgefasst und sich, glaube ich, sehr gefreut.“
Der Kaffee ist leer, wir beiden Simons müssen los. Wir rauchen noch eine Zigarette zusammen, umarmen uns zum Abschied. Was da wohl noch kommt – Ich freue mich auf die nächsten Abenteuer.
Fotos Gideon Rothmann