Die nackte Wahrheit: Karsten Löwe aka Cappuccino

Kennt ihr eigentlich schon…

… Radiomoderator Karsten Löwe aka Cappuccino?

Als Rap in den 90ern auch gern noch „Sprechgesang“ genannt wurde, war Braunschweig eine Hip-Hop-Boomtown, die Künstler wie MC Rene, Such a Surge und natürlich die Jazzkantine hervorbrachte. Mit letzteren ist der Braunschweiger Karsten Löwe schon seit 1993 als Rapper Cappuccino unterwegs, aber besonders große Bekanntheit erlangte der sympathische und stets gut gelaunte Braunschweiger jedoch als Solokünstler. Cappuccino stand für mainstreamtauglichen Schmuserap, der gern auch mal mit Oli P. in eine Schublade gesteckt wurde und dabei große Erfolge verzeichnete: eine goldene Schallplatte für seine Kuschel-Single „Du fehlst mir“, einen Award als Bester Deutscher Rap-Act 1998, die Produktion des Titelsongs zu Til Schweigers „Der Eisbär“ sowie etliche TV-Moderationen und -auftritte, unter anderem bei den Talk-Maestros Harald Schmidt und Stefan Raab. Zahlreiche Bandprojekte, eine eigene Eventagentur und über tausend Auftritte später nutzt der heute 47-Jährige seine Stimmbegabung inzwischen hauptberuflich als Radiomoderator. Seit über zwei Jahren moderiert er nachmittags bis in den frühen Abend bei Radio38, liest Nachrichten, warnt vor Blitzern, spielt Songs und packt auch immer mal wieder tatkräftig in der Redaktion mit an. Und wenn er sich mal nicht mit seiner großen Leidenschaft dem Regionalradio beschäftigt, zockt Karsten Playstation, fiebert im Stadion mit oder genießt die Zeit mit seiner Tochter.

 

Cappu, was ist übrig vom Rockstar-Leben?
Viele schöne Erinnerungen und die Freude darüber, nicht mehr aus dem Koffer leben zu müssen.

Wie viel Rapper-Klischee steckt heute noch in dir?
Abgesehen von meinen Hoodies und der “90s-Rap Mentalität”, kaum noch was. Aber — Thug Life!

Trägst du heute noch Baggyhosen?
Weit sind nur noch die Trainingsanzüge. Und die trage ich sehr gern.

Wie stehst du heute zu deinem „Schmuserapper“-Image von damals?
Das war mir schon immer egal. Ich hab ja damals auch sehr viel geschmust und R&B, New Jack Swing und Soul gehört. Während andere Rapper aus dem Ding eine Religion machen wollten, habe ich lieber mit Mädels geflirtet. Da war mein Style eher hilfreich als schädlich.

Böse Zungen würden dich vielleicht mit Oli P. in eine Schublade stecken. Gab es diesen Vergleich mal?
Hin und wieder. War mir auch immer egal. Wobei ich sagen muss – ich fand mich immer qualitativ hochwertiger als den Oli. Und tanzen konnte der glaub ich auch nicht. (lacht) Aber — who cares?

Hörst du eigentlich privat viel Schmusemusik?
Früher mehr aufgrund der Hormone. Aber klar — Anderson Paak, Dángelo, Sade, Erikah Badu. Hin und wieder sehr gern. Aber eigentlich läuft hier nur Damian Marley, Sam Cooke oder auch mal ein hartes Brett von Ill Nino.

Und was ging so mit Groupies?
Sagen wir so: Gott sei Dank gab es damals noch kein Social Media …

Bringen dich deine alten Texte heute manchmal zum Schmunzeln?
Klar! Das ist ja quasi mein Tagebuch. Da sind viele Geschichten aus dem ehemaligen Atlantis mit drin. Oder auch aus den schwereren Zeiten, allein mit meiner Mutter und ohne viel Geld.

Waren deine Texte immer ernst und echt oder hast du auch mal für die Charts gedichtet? Hast du wirklich immer alles selbst geschrieben?
Eigentlich wollte ich jedes meiner Lieder in den Charts sehen. Hat nur nicht geklappt. (lacht)
Aber ich habe immer alles selbst geschrieben und alles so gemeint, wie ich es geschrieben habe. Beim letzten Kantine-Album habe ich mal zusammen mit Christian Eitner getextet. Der ist auch schon lange ein guter Rapper.

Hast du heute noch Ohrwürmer deiner Texte?
„Ich scheiss´ auf Stuttgart, Frankfurt, Hamburg und Rest. Ich bin Cappuccino – Braunschweig West! – I MISCH you …“ (lacht)

Was fühlst du, wenn du dir alte Musikvideos ansiehst?
Wo sind nur die Jahre hin…!? Und die Haare erst …

Wie hast du dich nach deinem ersten Fernsehauftritt gefühlt?
Jetzt kennt mich die ganze Welt! War dann aber doch nicht so.

Was denkst du in der Rückschau, warum es mit deiner Solo-Karriere nicht
länger geklappt hat?

Es hat ja geklappt. Ich bin mit der Jazzkantine immer noch oft auf der Bühne und gelegentlich auch auf Tour. Seit über 25 Jahren. Nur mit dem Solo-Ding – da hatte ich irgendwann einfach keinen Bock mehr drauf. Das bereue ich bisher auch nicht.

Wie passt Rap und Theater für dich zusammen?
Es ist alles eine Bühne. Ich mache da keine Unterschiede.

Wirst du heute noch oft auf deine alten Songs angesprochen?
Eher auf das Gesamtbild. Ist schon schön, wenn dich in Braunschweig plötzlich auch Lehrer, Doktoren und dergleichen erkennen, weil du im Theater zu sehen warst. Schön ist auch immer, wenn mir jemand dankt, weil ich ihn über Radio38 vor einem Blitzer gewarnt habe.

Mal über ein Rap-Comeback nachgedacht?
Immer mal wieder. Aber nur, weil ich meiner Tochter eigentlich ein Album schulde. Alle meine Solo-Alben wurden ja vor ihrer Geburt produziert. Vielleicht geht da noch mal was. Aber dann nur als Free-Download ohne Gigs und Promo.

Was denkst du über Streaming & Co.?
Schlimme Entwicklung, was die Vergütung der Künstler betrifft. Aber auch eine Chance für Newcomer, Gehör zu finden. Halt ein zweischneidiges Schwert …

Bitte ein paar Backstage-Anekdoten von früher!
Method Man und Redman sind mal schnurstracks aus dem Backstage abgehauen, als es da ein bisschen Bambule in unserer Band gab. Kam mir irgendwie vor, als hätten die Schiss gehabt. Hätte ich bei den beiden nie gedacht. Oder beim Jazzfestival in Burghausen haben Aleksey und ich mal randaliert und ordentlich Ärger bekommen. Das hing uns noch Jahre später nach. Mit ihm habe ich dann später auch noch ein Hotelzimmer auseinandergenommen.
Hach ja, … die härteste Jazzband der Welt!

Hattest du damals merkwürdige Promibegegnungen?
Mariah Carey war sehr überheblich bei einem Gig. Wollte die doch glatt am Sonntag eine weiße Ledercouch im Backstage haben! Hat sie bekommen. Aber benutzt hat sie die dann nicht! Als Vorband von James Brown auftreten, war eines meiner Highlights mit der Jazzkantine. Aber auch mit den Sex Pistols und Cypress Hill in der Schweiz war es lustig. Vor allem, weil die DFB-Elf gegen England an dem Tag gewonnen hat. Da waren die Pistols aber mal “gar nicht amused”…

Dein schlimmster Live-Versprecher bisher?
Vor 3 000 Leuten in Hamburg auf die Bühne gehen und
„Hallo Frankfurt“ sagen. (lacht)

Was hast du gemacht, wenn du deinen Text vergessen hast?
Freestyle oder Witze erzählen.

Was machst du lieber: Auf der Bühne stehen oder im Studio sitzen?
Bühne.

Spielst du auch mal Musik im Radio, die du selbst nicht feiern kannst?
Zum Beispiel Celine Dion. Aber auch die hat eben ihre Berechtigung.

Was für eine Radioshow würdest du machen, wenn du völlig freie Hand hättest?
„Cappus Rastaman Reggae Radio – Die besten Tunes von früher bis heute“
… Bombaclut!!! (lacht)

Welchen Job würdest du gern mal für einen Tag machen?
Keine Ahnung — Schuhputzer und Dienstbote für Yasmin Feizic?
Ich würd´s machen.

Was würdest du tun, wenn du wieder 18 wärst?
„Party and Bullshit“!

Rap hat sich seit den 90ern ganz schön verändert — ist heute über die Aggro-Ära bei Autotune, Trap und Cloudrap angekommen. Was denkst du über die
neuen Strömungen?

Kann ich nichts mit anfangen — Nineties 4 Life, Biatch!

Was war die erste Platte, die du gekauft hast?
„Voyage Voyage“ von Desireless. Habe ich aber geklaut! Danach hab ich so ein schlechtes Gewissen gehabt, dass ich nie wieder was geklaut habe. (lacht)… Gekauft habe ich dann, glaube ich, “I feel for you” von Chaka Khan.

Was würdest du mit einer Million anstellen?
Für mein Kind weglegen und ein bisschen was spenden. Ok, die
PS5 muss ich haben!

Vor welchem Fehler, den du einst gemacht hast, willst du deine Tochter bewahren?
Mein Kind soll einfach immer glücklich sein und seinen Humor bewahren. Das ist mir zum Glück auch gelungen. Selbst wenn es nicht immer einfach ist oder war. Und nur durch Fehler lernt man — insofern muss sie da schon auch selbst durch.

In welcher Zeit würdest du gern leben?
In der „nach Corona“ …

Was ist dein Rezept für eine positive Lebenseinstellung,
für die du ja bekannt bist?

Immer dran denken: Hier kommt keiner lebend raus! Und auch, wenn die Kohle mal knapp ist – solange die Heizung läuft, das Licht angeht und ein paar Nudeln im Haus sind, ist alles halbwegs im grünen Bereich.

 

Fotos Marc Stantien

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Laura Schlottke

Geschrieben von Laura Schlottke

Liebeserklärung an Braunschweig

Selflove-Sonnenschein