„ChatGPT fand ich ziemlich enttäuschend!“

Regisseur François Ozon zu „Mein fabelhaftes Verbrechen“

Er ist der Kino-Liebling der Grande Nation und Stammgast auf den wichtigen Festivals. Sein Kinodebüt „Sitcom“ durfte François Ozon ebenso wie seinen Krimi „Swimming Pool“ in Cannes präsentieren, sein Beziehungsdrama „5×2“ ging in Venedig an den Start und auf der Berlinale zeigte er die Theaterverfilmung nach Fassbinders „Tropfen auf heiße Steine“, das Lustspiel „8 Frauen“, das Kostümdrama „Angel“, das Missbrauchsdrama „Gelobt sei Gott“ und zuletzt die Fassbinder-Biografie „Peter von Kant“. Nach der fröhlichen Nostalgie-Reise „Sommer 85“ und dem Sterbedrama „Alles ist gut gegangen“ präsentiert Ozon nun mit „Mein fabelhaftes Verbrechen“ einen burlesken Krimi um eine Mörderin, die gar keine ist. Dieter Oßwald unterhielt sich mit dem Regisseur.

 

Monsieur Ozon, Sie feiern Ihr 25-jähriges Arbeitsjubiläum und präsentieren fast jedes Jahr einen neuen Film – wie bewahrt man da die Leichtigkeit und Frische, ohne in Routine zu verfallen?
Ich drehe einfach sehr gerne Filme. Wenn ich arbeite, geht es mir eigentlich immer ziemlich gut. Derzeit gebe ich Interviews – und prompt bin ich gleich erkältet! Insofern dient das Kino gewissermaßen meiner Gesundheit!

Ist das Filmemachen für Sie mittlerweile einfacher geworden oder ganz im Gegenteil?
Das hängt von den jeweiligen Projekten ab. Wobei ich glücklicherweise nicht zu den Regisseuren gehöre, die Blockbuster-Budgets benötigen. Meine Kosten sind überschaubar, mehr als 15 Millionen Euro hat noch keiner meiner Filme gekostet. Insofern arbeite ich rentabel genug, um ohne große Probleme immer wieder den nächsten Film realisieren zu können.
Ihre letzten Filme „Alles ist gut gegangen“ und „Gelobt sei Gott“ behandelten heikle Themen.

Der aktuelle Krimi ist eine lockere Burleske. Wie wirkt sich der Inhalt auf die Atmosphäre beim Drehen aus?
„Mein fabelhaftes Verbrechen“ war der Film, auf den ich in diesem Moment einfach große Lust hatte und der meinen Zustand ganz gut widerspiegelt. Die Welt war in keinem sehr guten Zustand: Erst kam Covid und fesselte die Menschen zu Hause. Dann folgte der Krieg in der Ukraine. All diese Probleme haben dazu geführt, dass ich mir sagte, jetzt ist eigentlich wieder Zeit für eine gute Komödie.

Zudem war einmal mehr Zeit für starke Frauen, eines Ihrer Lieblingsthemen…
Wenn ich so darüber nachdenke, ist es tatsächlich der dritte Teil einer lockeren Trilogie über die Rolle von Frauen. Bei „8 Frauen“ ging es ein bisschen um den Abschied vom Patriarchat. „Das Schmuckstück“ zeigte danach die Ankunft des Matriarchats. Und „Mein fabelhaftes Verbrechen“ feiert nun die Solidarität unter Frauen und die Schwesterlichkeit.

War diese Trilogie von Anfang an so geplant oder hat es sich eben irgendwann so ergeben?
Nein, das war nicht so geplant. Ich erzähle das in Interviews nur deswegen, damit es wie ein intellektueller Diskurs klingt (lacht). „8 Frauen“ liegt zwanzig Jahre zurück, damals war mir überhaupt nicht klar, welche anderen Filme da noch folgen würden.

Für originelle Antworten bei Interviews wäre ChatGPT sicher ein gutes Mittel. Taugt KI auch dazu, Drehbücher zu verbessern? Liegt darin die Zukunft der Kreativität oder droht seelenloser Fast-Food?
Es ist amüsant, dass Sie diese Frage stellen. Bei meinem aktuellen Drehbuch hatte ich ein Problem, weil noch irgendetwas fehlte. Ein Freund riet mir dann zu ChatGPT. Also erzählte ich der KI den Anfang meiner Geschichte. Was mir darauf angeboten wurde, war allerdings absolut enttäuschend. Das war Quatsch, der total politisch korrekt ausfiel. Ein ziemlicher Disney-Krampf, der meine ganzen kontroversen Themen komplett glattgebügelt hat. Irgendwie ist ChatGPT noch nicht so weit – zumindest noch nicht so weit für meine Drehbücher.

Man könnte ChatGPT anweisen, das Drehbuch von „Mein fabelhaftes Verbrechen“ im Stil von Fassbinder, Lubitsch oder Hitchcock umzuschreiben…
Das fände ich sehr deprimierend!

 

„Durch die sozialen Medien ist ein verlust in der ausdrucksfähigkeit entstanden. Die Macht der Worte gilt nicht mehr so wie früher.“

Sie sind in den unterschiedlichsten Genres so sattelfest wie kaum ein anderer. Welches Genre würde Sie noch reizen?
Tatsächlich sind es gar nicht so sehr die Genres, die mich interessieren. Sondern vielmehr die Geschichten, die ich erzählen möchte. Für diese Geschichte muss ich eben immer die richtige Form finden. Für mich gibt es dabei keine Grenzen, ich liebe das Kino in seiner gesamten Diversität.

Es gibt einen Hollywood-Star, der bekennt: „Ozon wäre mein Traumregisseur“. Dieser Star spricht zudem fließend Französisch – wann drehen Sie mit Timothée Chalamet den ersten Film?
Das hängt weniger von mir ab als von ihm. Wobei ich meine Geschichten nie für einen bestimmten Schauspieler schreibe, sondern immer die Figur im Kopf habe. Die Besetzung finde ich immer erst nach dem fertigen Drehbuch. Bei Hollywood-Stars wird die Sache kompliziert, weil sie meist für zwei, drei Jahre ausgebucht sind. Da ich gerne jedes Jahr einen neuen Film drehe, habe ich keine Lust zu warten, bis ein Star schließlich verfügbar ist. Wer weiß, ob ich in drei Jahren überhaupt noch denselben Stoff verfilmen möchte?

„Mein fabelhaftes Verbrechen“ klingt wie ein Hitchcock-Film. Welche Rolle spielt der Soundtrack für Ihr Kino?
Bei einer Komödie ist der Soundtrack gar nicht so einfach, weil es sehr viele Dialoge gibt. Man benötigt eine Musik, die einerseits präsent ist und andererseits den Dialogen nicht schadet. Mir gefiel sehr gut, dass unser Komponist den Einfluss des Jazz berücksichtigt hat, der zu dieser Zeit gerade aus den USA nach Europa gekommen ist.

Dialoge gibt es tatsächlich wie Sand am Meer in Ihrem Film. Wie behält man bei solchen Wortkanonaden die Balance und den Überblick?
Mein Vorbild waren die Screwball-Comedys der 1930er Jahre, in denen ausgesprochen viel gesprochen wird. Ich bin froh, dass der Film bei Ihnen synchronisiert in die Kinos kommt, weil man mit Untertiteln so vielen Dialogen kaum folgen kann. Heutzutage sprechen die Menschen nicht mehr so gewählt wie früher, durch die sozialen Medien ist ein Verlust in der Ausdrucksfähigkeit entstanden. Die Macht der Worte gilt nicht mehr so wie früher. Prompt haben französische Zuschauer beklagt, dass sie nicht alles im Film verstanden hätten!

Sie sind bekannt für Ihre Faszination für Deutschland. Was gefällt Ihnen da am besten, außer Fassbinder und Bier?
Bier? Ich trinke dann doch lieber Wein! Mir gefällt die deutsche Literatur und die Romantik. Zudem fasziniert mich die Geschichte: Wie sich die Deutschen neu gefunden haben nach dem Schrecken der Nazi-Diktatur. Das finde ich ausgesprochen spannend, gerade auch mit Blick auf den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine.

Fotos 2023 – MANDARIN ET COMPAGNIE – FOZ – GAUMONT – SCOPE PICTURES – FRANCE 2 CINEMA – PLAYTIME PRODUCTION

Vergiss nicht, abzustimmen.
+1
0
+1
0
+1
0
+1
0
+1
0
+1
0
+1
0
Dieter Osswald

Geschrieben von Dieter Osswald

Unsere Kinotipps im Juli/August 2023: Jeanne du Barry

Subway Sommer Songs