Die nackte Wahrheit: Christian Weiß

Kennt ihr eigentlich schon…

… … Theatermacher Christian Weiß?

Studierter Literaturwissenschaftler und Historiker, Regisseur, Dramaturg, ehemaliger Leiter des LOT-Theaters Braunschweig und Träger des European-Network-of Performing-Arts-Stipendiums. Wenn jemand weiß, wie es in der Braunschweiger Theaterszene zu laufen hat, dann Christian Weiß. Wir sprachen mit dem Theatermacher über seine bisherigen Projekte, seine Erfahrungen mit der Freien Szene und über das, was wir in Zukunft noch von ihm erwarten dürfen.

Freischaffender Künstler, Dozent und Vorstandsmitglied des Dachverbands Freier Theaterschaffender Braunschweig e.V. Wie lässt sich das alles unter einen Hut bringen?
Es wäre es schon manchmal gut, der Tag hätte mehr Stunden. Und es gab auch Zeiten, in denen ich das Ganze bis zur Erschöpfung betrieben habe – gerade in der Zeit, als ich fest an der HBK unterrichtet habe und das waren ja auch 15 Jahre. Da lief alles parallel und ganz ehrlich: ich weiß manchmal auch nicht, wie ich das gemacht habe. Mittlerweile habe ich mich für ein Zentrum entschieden und das ist die freie künstlerische Arbeit. Die anderen Dinge sind punktuell drumherum angeordnet. Und ich musste lernen, auch mal „Nein“ zu sagen. Eigentlich lerne ich es täglich aufs Neue.

Wie bist Du darauf gekommen, dass Du gern in der freien Theaterszene arbeiten möchtest?
Die Begeisterung für das Theater war schon früh da. Das hat dann auch in der Studienzeit dazu geführt, dass ich an der Uni eine Theatergruppe gegründet habe. Und immer wieder Praktika am Theater: nach dem Abi, während des Studiums – in den Bereichen Regie, Choreografie, Dramaturgie, Licht- und Tontechnik, Öffentlichkeitsarbeit – ich wollte alles kennenlernen. Nachdem ich als Regieassistent meine erste Inszenierung machen durfte, wusste ich, dass ich das grundsätzlich machen will, aber nicht an einem Haus. Und dann habe ich erst so richtig erfahren, was es heißt, Freies Theater zu machen.

Bitte vervollständige: Theater ist für mich…
Fluch und Segen. Oder umgekehrt.

Wie war das Arbeiten während Corona? Was hat sich seitdem verändert?
Die Arbeit in der Zeit war sehr anstrengend. Mal ging gar nichts, dann wieder ein bisschen und gleich wieder Stopp. Das zerrt sehr an den Nerven. Dazu kommt die existentielle Unsicherheit – wann kann es wie überhaupt weitergehen? Diese Unsicherheit und Zurückhaltung, auch von Seiten des Publikums, ist immer noch spürbar. Langsam kommen wieder mehr Menschen in die Veranstaltungen. Positiv nehmen wir sicherlich aus der Zeit auch mit, dass digitale Arbeitsstrukturen auch für uns manche Zusammenarbeit vereinfacht hat.

Bei krügerXweiss seid ihr im Erarbeitungsprozess immer mindestens zu zweit. Was macht das Kollektiv für dich zur idealen Arbeitsform?
Das Ping-Pong zwischen uns ist wichtig. Sich gegenseitig immer wieder neue Impulse zu geben. Und das Kollektiv wird ja erst so richtig stark und kreativ dadurch, dass jede*r eigene Schwerpunkte in die künstlerische Arbeit einbringt. Die Grundideen entwickeln wir erst einmal zu zweit und da ergänzen wir uns einfach gut – Marie-Luise Krüger und ich.

In vielen deiner/eurer Arbeiten spielt Audio eine große Rolle. Was fasziniert dich daran?
Der Mensch ist ein Augenwesen und nimmt 80% aller Informationen visuell wahr. Für uns ein spannender Ausgangspunkt, um zu untersuchen, wie wir mit Wahrnehmung spielen können, wenn wir uns auf einen anderen Sinn konzentrieren und dazu vielleicht auch noch das Sehen einschränken. Gerade unter dem Kopfhörer gibt es großartige Möglichkeiten des räumlichen Hörens. Und so können wir durch den Sound andere Räume gestalten, in die wir die Besucher*innen mitnehmen. Eintauchen in eine andere Welt, die aber nur durch das Audio erzeugt wird und vor dem inneren Auge entsteht. Auf dem Gebiet haben wir allerdings jetzt auch schon viel und in hoher Qualität produziert. Deshalb forsche ich zurzeit verstärkt zum Geruchssinn und welche Rolle das Riechen zukünftig im Theater spielen kann.

Großes Finale! Die Prozess-Trilogie und der zugehörige Prolog werden quasi in Form eines krügerXweiss Festivals diesen Monat noch einmal als Gesamtkunstwerk zu erleben sein. Was kommt als nächstes?
Eigentlich dachten wir, nun die Trilogie abgeschlossen zu haben, aber dann fiel uns eine Geschichte, bzw. ein historisches Ereignis vor die Füße, bei dem wir sagen mussten: Tja, dann müssen wir wohl noch einen Epilog machen. Da sind wir gerade in der Vorbereitung und können sicherlich bald auch mehr dazu sagen. Aber: da kommt noch was…

Was würdest Du Menschen mitgeben, die gern in der freien Szene durchstarten möchten?
Ich würde sagen: einfach mal machen. Also, sich allein oder schon als Gruppe mit künstlerischen Arbeiten ausprobieren. Das passiert dann ja meistens in einer bestimmten Bubble, z.B. der Uni.
Dann finde ich es sehr wichtig, sich außerhalb zu vernetzen. Gespräche mit Menschen zu suchen, die schon länger professionell unterwegs sind. Ich habe es immer als sehr bereichernd empfunden, von den unterschiedlichsten Lebenswegen zu hören und zu erfahren, dass es wichtig ist, den eigenen Weg zu finden. Und bei dieser Vernetzung und der Beratung zum ganzen organisatorischen Drumherum helfen wir als Dachverband der Freien Theaterschaffenden in Braunschweig auch gerne weiter. 

Foto Benjamin Kroeger

 

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Jannick Stuehff

Geschrieben von Jannick Stuehff

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