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Rentier Rodeo

25 Jahre The Twang – Es wird wieder besinnlich, wenn die von sengender Texassonne gezeichneten Twangsters die Brunsviga am 16. Dezember festlich auf Links ziehen.

Es ist ein Jubiläum: Seit 25 Jahren grassiert The Twang durch diverse Savannen der westlichen Hemisphäre. Am 16. Dezember wirds also gemütlich? Joa, irgendwie so oder so ähnlich. „Das Weihnachtskonzert ist Tradition, seit Jahren eigentlich immer ausverkauft gewesen“, erinnert sich Henrik Ballwanz, der bei der Arbeit mit Mikrofon, Gitarre und Lasso eigentlich Hank Twang heißt.

„Das erste Weihnachtskonzert gabs in der Haifischbar, die mit 100 Leuten schon echt zum zerbersten voll war, später gings dann über die Räumlichkeiten von Brain und Merz (heute Eule/XO) in die Brunsviga“, so Henrik. Kein Bühnenereignis kommt ohne Bühnenbild aus, für das letzte Konzert des Jahres wird also beherzt in die Dekotrickkiste gelangt: „Es ist uns für Weihnachten immer total wichtig, extrem viel kitschigen Bling Bling mitzubringen, Plastikbäume, aufblasbare Rentiere, all das was man sich privat nicht hinstellen will, womit aber so mancher Hillbilly seinen Vorgarten schmückt.“ Leider Gottes stünden die zwölf Rentiere noch gut verpackt in Rüningen beim Zoll, lässt Hank verlauten, „Mal gucken ob wir die da noch irgendwie rausholen können, sonst bleibts eben bei Musik“, scherzt der Sänger.
Tradition des Jahresabschlusses ist es auch, dass die Bandkollegen von Hank, Beano, Reverend Al „The Hammer“, Randy und Rusty Twang sich ihre vier liebsten Lieder aussuchen, die ihnen wirklich wichtig sind, die dann zusammen mit Weihnachtsklassikern noch einmal eingeprobt werden. „Wir spielen also diese countryfizierten Weihnachtslieder aber auch im Ursprung schon Country gewesene Weihnachtssongs, die echt schlimm sind, in denen es dann auch ums Saufen und ums Schießen geht. Es ist also eine Mischung aus Rauheit und Kitsch, lustig und spontan“, fasst Frontman Hank die Abendgestaltung zusammen.

Countryfiziert
Das Betätigungsfeld von The Twang ist eben jenes, wofür später The BossHoss recht satte Prominenz einfuhren (inklusive Mandaten in Privatfernseh-Castingshows): Das Countryfizieren. Unschuldigen Popsongs werden die Sporen gegeben und als Countryarrangement aufgezogen. Vor 25 Jahren war das etwas ganz Besonderes, junge Typen aus dem studentischen Millieu spielten augenzwinkernd diese Western Musik. „Das brachte uns damals in die Spex und den Rolling Stone“, erzählt Hank, der einst durch einen Uni-Austausch 1992 nach Austin infiziert worden war: „Ich war weniger am Studieren und mehr mit meinen musikalischen Mitbewohnern unterwegs. Ich hab die zu Gigs begleitet, Verstärker geschleppt. Da hat keiner ‘nen Cowboyhut getragen, gespielt haben die den Kram trotzdem. Ein paar von denen sind dann auch Profimusiker geworden, wodurch wir glücklicherweise immer auch Kontakte in diese Profiszene halten konnten, die uns dann teilweise auch als Studiomusiker unterstützt haben. Eddie Perez von den Mavericks zum Beispiel, der in der Country Bubble in den Staaten echt ein Popstar ist. Ich find‘s wahnsinnig cool solche Leute zu kennen.“
So begleitet das Band-Dasein die Twang-Familie seit einem viertel Jahrhundert das nun mehr gespickt ist mit großen Anekdoten, auch wenn der ganz große Durchbruch nicht passierte und auch nicht unbedingt von den Ost-Niedersachsen-Cowboys forciert wurde. „Die Band hat über all die Jahre immer auf der kleinen Flamme so geköchelt, dass der große Henrik, dem kleinen Henrik sehr imponiert hätte“, kann Henrik Ballwanz zufrieden zurückblicken. „Auf unserem 2017 erschienenen deutschen Album ‚Wüste Lieder‘ singt Bela B mit mir Marianne Rosenbergs ‚Er gehört zu mir‘. Hätte mein 15-jähriges Ich gewusst, dass das mit 50 noch mal passiert, wäre der kleine Ärzte-Fan schon sehr aufgeregt gewesen“, schwärmt, Henrik Ballwanz, der im zivilen Leben mittlerweile verantwortlich ist für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Landesmusikakademie Wolfenbüttel. „Ein bisschen an der Welt der Profis geschnuppert haben wir also, und trotzdem konnten wir in für uns coolen Berufen arbeiten und uns freuen, dass es diese Band gibt, ohne darauf angewiesen zu sein, dass uns dieses Musikgeschäft ernährt.“

Texkursionen
Essentielle Highlights der Bandgeschichte sind die regelmäßigen Reisen nach Texas, wo stets auch Aufnahmen und Live-Gigs anstanden. Aber wie ist das, wenn man als deutscher absoluter nicht-Texaner da also aufkreuzt und einen Vertretungsanspruch auf dieses Genre anmeldet? „Wir hatten furchtbar die Hosen voll“, gibt Henrik offen zu. „Andererseits: Stell dir mal vor, es kommt ‘ne japanische Heino-Coverband nach Deutschland. Das guckt man sich doch an, oder?“ Ist auch was dran, muss man zugeben. Die Bewährungsprobe ging in jedem Fall total auf: „Im ersten Jahr, das wir da waren, das war 2000, hätten wir zwei Gigs spielen sollen. Das erste hat ein befreundeter Promoter gesehen, der zunächst die gleichen Bedenken hatte, ob das mal gut geht. Der hat uns dann gesagt, dass wir das zweite Konzert mal sein lassen können, er hätte aber folgende Tourdaten für uns. So haben wir in 14 Tagen dann siebenmal gespielt. Unser zweiter Gig war ein Festival anlässlich des Geburtstages vom Country-Guru Buck Owens. Da haben alle möglichen Genre-Größen dessen Lieder interpretiert. Wir sollten dann auch zwei beisteuern, mussten uns die aber ja auch erstmal drauf schaffen. Weil wir so dermaßen Schiss hatten, haben wir die Lieder dann auf deutsch übersetzt. Der Laden hat getobt. Das war der Burner.“ Ob es dann doch nochmal schräg wurde? Hank erinnert sich: „Eine Studentengruppe aus Berlin hat’s leider ziemlich dahingerafft, als die am Ende ihrer großen Houston-Exkursion nochmal einen richtig authentischen Abend begehen und eine Countryshow mitnehmen wollten. Die sind dann zu uns in den Continental Club gekommen. Die Berliner haben sich dann The Twang aus Braunschweig in Houston angehört. War auch nett.“

Foto Marek Kruszewski

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Simon Henke

Geschrieben von Simon Henke

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