Ein Gespräch mit Künstler Andreas Linke über seine neue Ausstellung „Vivarium September“, die ab 10. Oktober, 18 Uhr, im Verein Junge Kunst e.V. in Wolfsburg zu sehen ist.
Deine neue Ausstellung trägt den Titel „Vivarium September“. Was bedeutet dieser Titel für dich, und wie kamst du darauf?
Das war im Frühling 2024. Ich saß mit einem befreundeten Künstler in einem Lastwagen, wir haben einen Job erledigt. Im Laderaum war noch Platz und mein Atelier war verstopft mit alten Skulpturen. Ich brauchte Platz. Also haben wir sie eingeladen und auf einen Berg gebracht – 500 km entfernt von zu Hause, um dort alles anzuzünden. Auf dieser Fahrt kam mir der Titel.
Warum „September“?
Ich glaube, was der September am besten kann, sind lange Schatten. Die Wolkenbilder sind dramatisch wie sonst nie. Alles ist wichtig! Außerdem ist es der letzte Monat, in dem man noch bequem draußen sein kann.
Du sprichst oft von der Spannung zwischen Melancholie und Pragmatismus. Wie spiegelt sich dieses Spannungsfeld in den neuen Arbeiten wider?
Der kreative Prozess ist viel Tagträumerei – man taucht ein in Fantasiewelten – im besten Fall erkundet man jedes Detail. Kinder sind Profis darin, Erwachsene gewöhnen sich das häufig ab. Irgendwann kommt man ins Handeln und versucht das, was man sieht, zu übersetzen. Dabei stößt man an Grenzen: Das Material spielt nicht mit, die Realität stellt sich quer, man sucht einen Kompromiss und daraus entsteht die Mischung. Vielleicht liegt es an meinem Algorithmus, aber ich habe den Eindruck, Kreativität wird heute stark romantisiert, sie wird mehr und mehr wie ein Produkt verkauft.
Was erwartet die Besucher*innen konkret, wenn sie die Ausstellung betreten?
Anfang diesen Sommers bin ich ins Handeln gekommen: Ich bin mit dem Mofa aufgebrochen und 200 Kilometer nach Wolfsburg in den Verein Junge Kunst gefahren. Ich war mehrere Tage unterwegs und habe mich ständig verfahren (lacht). Dort habe ich die Räumlichkeiten ausmessen – danach ging es wieder zurück. Diese Tour ist Ausgangspunkt. Es gibt Malereien und Skulpturen, eine Momentaufnahme – es geht um eine Reise und ein Streben nach etwas, was ich selbst nicht genau benennen kann.
Viele deiner Werke sind von persönlichen Erinnerungen und Symbolen geprägt. Gibt es in der Ausstellung ein Werk, das dir besonders nahegeht?
Das zeigt sich meist erst mit der Zeit. Man produziert viel, aber nicht jedes Werk bleibt wichtig. Manche verlieren an Bedeutung, andere begleiten mich jahrelang. Ich werde die Ausstellung aufbauen, und in fünf Jahren werden mir einige Stücke noch nah sein – andere vielleicht schon im Dezember im Müll landen (lacht). Aber alle Arbeiten sind für mich Zeitzeugen.
Was wünschst du dir, dass die Besucher*innen mitnehmen – einen Gedanken, ein Gefühl, vielleicht eine Erinnerung?
Kunst ist der Versuch, ein Gefühl auszudrücken, das sich mit Worten nicht beschreiben lässt. Im besten Fall gelingt es mir, dieses Gefühl so zu formulieren, dass die Besucher*innen mit etwas Ähnlichem nach Hause gehen. Kunst ist eben eine andere Form des Denkens und Fühlens.
Zum Abschluss: Hast du selbst Dinge, Orte oder Erinnerungen, die du wie einen Schatz bewahrst?
Definitiv! Zum einen gibt es Orte, die sind geheim, niemand weiß davon. Dazu kommt das klassische Sammelsurium abgepackt in kleinen Kartons: Steine, Brillen und kaputte Uhren. Einmal habe ich ein Glasauge in einem trockenen Flussbett gefunden.
Fotos Andreas Linke