Eine Schatzkiste im Museum

Bis zum 3. Oktober zeigt das Schloss Museum Wolfenbüttel die Sonderausstellung „Coralle, Perle, Papagei – Braunschweiger Perlentische und Corallenwaren“.

Der Ausstellungstitel mag ein Fragezeichen in so manches Gesicht malen, doch umso lauter wird das „Ah“, wenn Licht ins Dunkel kommt.
Zunächst einmal: Abgeleitet vom niederländischen „kralen“ für Perlen, sind mit Corallen Glasperlen gemeint. Und der Papagei? Der kommt später noch ins Spiel.

 

Ein neuer Mann ist in der Stadt
Wir befinden uns im 18. Jahrhundert, genauer: 1755. In Braunschweig taucht der Kunsthandwerker Johann Michael van Selow auf und gründet eine Corallenfabrik. Viel ist über ihn nicht bekannt, vermutlich kommt er aus den Niederlanden. In der Manufaktur werden Gegenstände des täglichen Gebrauchs, Tierskulpturen und Kleinmöbel mit Mosaiken aus winzigen Glasperlen besetzt. Was dort passierte, sei weltweit einmalig, merkt Museumsleiterin Dr. Sandra Donner an. Auch van Selows Verzier-Technik ist ein wohlgehütetes Betriebsgeheimnis – bis heute. Die Perlen selbst kauft er ein. Produktionsorte gibt es europaweit. Einer der bekanntesten ist wahrscheinlich die Murano-Insel in Venedig.
Durch den Residenzwechsel des Herzogs Karl I. von Wolfenbüttel nach Braunschweig und dessen wirtschaftsorientierte Politik, erhält die Corallenfabrik von ihm unter anderem einen zinslosen Kredit.
Zudem darf van Selow seine Waren sowohl auf der Braunschweiger Messe als auch in einem eigenen Geschäft verkaufen, was zur damaligen Zeit der Auftragsarbeiten eher ungewöhnlich ist.

 

Das Feinste vom Feinen
45 der Objekte, die aus der Manufaktur stammen, sind nun im Schloss Museum Wolfenbüttel zu bestaunen, vor allem Tischplatten sind Teil der Sammlung. Die Muster auf den Möbeln wirken auf den ersten Blick wie Stoff-Stickereien. Geht man jedoch näher heran, sind sie zu erkennen: Die winzigen Perlen. So zusammengesetzt, dass sie ein wunderschönes Kunstwerk ergeben. Es ist faszinierend, wie detailgetreu sich die filigranen Steinchen aneinanderreihen. Sogar Schattierungen sind sichtbar.
Ein außergewöhnliches Exemplar sehen wir gleich zu Beginn der Ausstellung: Kleine Schneckenhäuser umrahmen das Perlenbild auf dem gezeigten Tisch. Typische Motive, die in der Corallenfabrik entstehen, sind Schloss- und Gartenlandschaften, im Rokoko übliche muschelförmige Rocaille-Ornamente, chinesische Szenen und: Der Papagei (da haben wir ihn). Der kunterbunte Vogel symbolisiert die Exotik, das Besondere. Denn wenn der Adel des 18. Jahrhunderts zusammensitzt, dann doch bitte an Tischen, die den exquisiten Speisen und Getränken würdig sind.

Kleine Perlen, aber oho
Für die Ausstellung hat sich das Museum so viele fremde Exponate ins Haus geholt wie noch nie. Darunter private Leihgaben, die zum Großteil auch in Gebrauch sind. Häufig handele es sich um Erbstücke, erklärt die Museumsleiterin. Manche von ihnen seien noch nie öffentlich präsentiert worden.
Ganz abgesehen davon, dass jedes Objekt aufgrund der händischen Fertigung einzigartig ist (manche Motive existieren wirklich nur einmal), stechen einige Werke nochmal besonders hervor. Neben einem wuchtigen Schreibtisch sind das beispielsweise ein L’Hombre-Spieltisch (dem Skat-Vorläufer), eine Teeflasche aus dem Museum Altona mit einem wunderschönen grünlichen Schuppenmotiv und nochmal der Papagei, dieses Mal jedoch als Figur. Wie Donner erzählt, habe das Perlen-Tier mit dem Transport nach Wolfenbüttel zum ersten Mal die Braunschweiger Stadtgrenze verlassen. Der Vogel soll damals für den Herzog gefertigt worden sein.
Heute seien die Stücke gefragt wie nie und würden alle im mindestens fünfstelligen Bereich gehandelt.

 

Was bleibt
Um 1772 schließt die Manufaktur. Bereits einige Jahre zuvor kämpft die Corallenfabrik mit wirtschaftlichen Problemen. Zudem gibt es Streitereien mit der Tischlergilde, da van Selow seine Möbel von nur einem einzigen Tischler, dem Freimeister Thiele Heinrich, anfertigen lässt. Dieser führt ab 1768 auch das Unternehmen. Van Selow verlässt die Stadt, vielleicht geht er zurück nach Amsterdam. Seine Spuren lassen sich nicht weiterverfolgen. Die funkelnden Corallen jedoch erinnern an ihn.

Zum Mitmachen
An einer Kreativ-Station können Interessierte selber ein kleines Perlenmotiv gestalten, fehlende Tischbeine passend zu einer Platte entwerfen oder Fehlstellen eines Musters vervollständigen.
Zu der Ausstellung gibt es außerdem ein großes Begleitprogramm:
• Kinderführung mit Besuch in der Museumswerkstatt – 7. Juli, 2. + 27. August
• Öffentliche Abendführung – 10. August
• Workshop Perlmosaik – 9.-10. September
• Von Glasperlen, Schmuck und fernen Ländern (Interkulturelle Woche) – 29. September

Alle Termine findet ihr hier: museumwolfenbuettel.de.

Fotos Anne-Sophie Wittwer

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Laura Schlottke

Geschrieben von Laura Schlottke

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