Termin
7. August 2025
Kultursommer Salzgitter Schloss Salder (SZ)
kultursommer-salzgitter.de
LaBrassBanda gehen mit ihrem neuen Album „Polka Party“ auf Tour und kommen dabei auch in Salzgitter vorbeigeschneit.
Schon seit 2007 bringt die Chiemgauer Blaskapelle „LaBrassBanda“ die Festzelte und Konzerthallen zum Beben. Barfuß und in Lederhosen sorgen sie regelmäßig ab der ersten Konzertminute dafür, dass es wirklich niemanden auf den Sitzen hält. Am 7. August machen sie auch im Schloss Salder in Salzgitter Halt. Wir durften exklusiv mit Frontmann und Trompeter Stefan Dettl plaudern.
Eure neue Platte ist unüberhörbar wieder „LaBrassBanda“. Aber man hört schon, dass jetzt mehr Einflüsse dazu gekommen sind. Was hat euch da musikalisch begleitet?
Stefan Dettl Das stimmt, das macht uns auch am meisten Spaß. Ehrlich gesagt, reisen wir durch die Welt und versuchen, was alles möglich ist mit der Blasmusik: Auch mal so Hip-Hop-Geschichten oder verschiedene Tanzstile auszuprobieren. Und das fließt dann natürlich in die Alben rein. Die Reise geht immer weiter und wir entwickeln uns. Am Anfang haben wir gedacht, dass das vielleicht ein/zwei Jahre dauert, bis wir alle Stile mit der Tuba und der Trompete durchhaben, aber es ist ein riesengroßes Feld. Und vor allem Konzerte im Ausland geben uns wahnsinnig viele Einflüsse mit. Genau das probieren wir dann immer wieder in bairischer Sprache und Blasmusik umzusetzen.
Die neue Platte heißt „Polka Party“. Was definiert denn eigentlich eine Polka? Und warum heißt euer Album jetzt so?
Dettl Wir waren letztes Jahr in Kasachstan und haben uns gewundert, wie viele Menschen uns dort kannten. Und dann hieß es: „Klar kennen wir euch, ihr seid doch die Hardcore-Polka-Band“. Und wir dachten: „Ja, ok, stimmt. Kann man genauso sehen.“ Und dann haben wir uns gefragt, was denn Polka eigentlich alles bedeutet. Ganz viele Volkstänze, und auch Ska oder bayerische Blasmusik, sind ja im Prinzip alle irgendwie Polka. Wir haben uns dann auf die Suche gemacht und rausgekommen ist ein Album, das wir einfach „Polka Party“ nennen mussten.
Den Spaß hört man euch auf jeden Fall an. Wie geht ihr so ein Album an? Setzt ihr euch zusammen und jammt einfach drauf los oder stehen von Anfang an schon Stücke oder Texte?
Dettl Dass man sich mal hinsetzt und sagt „jetzt ist Albumzeit“, gibt es so nicht mehr. Mittlerweile ist es immer eher „work in progress“. Im Idealfall schnappt man etwas auf, und denkt „Ach, das könnte ein Song werden“. Das probieren wir dann daheim im Studio aus. So sind dann einfach schon so ein paar Ideen da, vielleicht ein paar konkrete Lieder, und irgendwann merkt man, dass das Album in eine gewisse Richtung geht, und dann flutscht es eigentlich von selber. Dann sucht man vielleicht mal speziell nach einer etwas ruhigeren Nummer oder es fehlt noch eine mit mehr Vollgas – das ist dann eher der Prozess. Wie gesagt: Das wir uns mal ein ganzes Jahr Zeit nehmen und dann am Ende ein Album fertig ist, geht mittlerweile leider nicht mehr. Wir haben dieses Mal das Schlagzeug komplett live über ein analoges Pult aufgenommen und mussten so weniger rumbasteln, sondern konnten einfach zusammen Musik machen. Dann geht es natürlich leichter, und du spürst den Groove einfach besser. Ich finde, man hört auch, dass es eigentlich live ist und so richtig lebt. Das hat wirklich sehr viel Spaß gemacht.
Ihr steht mit eurer Musik für Lebensfreude und haltet die gute Laune auch in schwierigen Zeiten hoch. Ist das insgesamt eure Haltung?
Dettl Du hast absolut recht, wir sind eine fröhliche Band. Ich bin auch ein sehr positiver Mensch und gehe immer vom Allerbesten aus. Ich glaube, vor allem bei unseren Konzerten, ist es ganz wichtig, dass die Menschen einmal kurz rauskommen aus dem Alltag. Einfach mal loslassen, lachen, sich bewegen und tanzen, obwohl sie vielleicht sogar noch nie getanzt haben. Das spüren wir, und das ist uns ganz wichtig. Da passiert schon etwas ganz Magisches sozusagen. Das Publikum und wir auf der Bühne lernen dann wahnsinnig viel übereinander. In Brasilien zum Beispiel war es wirklich krass. Da haben wir gemerkt, dass die Menschen teilweise einen richtigen schlimmen Alltag haben, aber das tanzen sie dann weg. Das ist eine Art, damit umzugehen. Das ist emotional wichtig für sie, und wir dürfen dann ein Teil davon sein bei diesem Prozess, weil wir die Leute zum Tanzen bringen. Dafür sind wir dann da – das ist unser Job. Wenn die Tuba zu spielen anfängt (mimt Humpahumpa-Geräusche), ist einfach Party und Happiness. Dass wir Fröhlichkeit verbreiten und vor allem auch zurückbekommen, ist uns wirklich sauwichtig.
Jetzt spielt ihr bald bei uns in Salzgitter. Merkt ihr regionale Unterschiede im Publikum? Sind Menschen aus nördlicheren Gefilden wirklich so unterkühlt und schwer zum Tanzen zu bewegen, wie es das Klischee will?
Dettl (lacht) Absolut nicht. Erste Nummer: Alle rasten radikal aus! Solche Schubladen funktionieren einfach nicht. Man kann sich im Vorfeld ja alles Mögliche ausmalen, wie eine Region so ist, und trotzdem wirst du jedes Mal überrascht. Vor allem mag ich es aber, wenn wir mal von den Großstädten wegkommen, denn die sind eigentlich auf der ganzen Welt ziemlich ähnlich. Richtig spannend wird es in den Regionen dazwischen. Zuallererst mal kulinarisch, aber vor allem werden die Konzerte für uns interessanter, weil es dort oft viel mehr menschelt als in der vielleicht manchmal kühleren Großstadt. Selbst beim Reisen durch Bayern, wo wir nun wirklich schon viele Konzerte gegeben haben, entdecken wir immer noch Ecken, von denen wir keine Ahnung hatten. Das macht uns in unserem Touralltag wahnsinnig Spaß.
In eurem Lied „Goaßnmaß“ geht es um das Beisammensein und um alte Zeiten. Bitte einmal für uns Nichtbayern: Was ist eine „Goaßnmaß“?
Dettl Eine „Goaßnmaß“ ist ein wirklich spannendes Getränk. Weil man sie nicht alleine oder zu zweit trinkt, sondern immer nur in einer großen Gruppe. Wenn man so beieinander sitzt und einen schönen Abend hat, dann wird manchmal eine „Goaßnmaß“ in die Mitte gestellt und jeder trinkt dann davon (Anm. d. Red.: Cola, dunkles Bier und Kirschlikör). Und das wäre zur Corona-Zeit ja das Allerschlimmste gewesen. Deshalb war es gerade für die Jugend nach Corona ganz wichtig diesen 70er-Jahre-Brauch wieder aufleben zu lassen. Und in dieser Zeit ist dann auch die Idee zu diesem Lied entstanden. Es ist eine Coverversion eines lateinamerikanischen Liedes, für das wir diesen bairischen Text geschrieben haben. Es geht also nicht einfach ums Saufen – was in Bayern ungewöhnlich ist (lacht)– sondern um Gemeinschaft. Verkriechen wir uns nicht in unseren Kämmerlein. Wir können, also genießen wir es. Eine schöne Tradition, die die Menschen zusammenbringt. Und das wollten wir besingen.
Du machst ja nun wirklich schon seit frühester Kindheit Musik, aber hattest du jemals einen anderen Berufswunsch in der Hinterhand, falls du kein Musiker geworden wärst?
Dettl Ich habe einen ganz kleinen Bauernhof bei mir daheim, bin also ein Hobbybauer, und das wäre eigentlich auch mein Plan B gewesen. Ich habe mich immer für die Natur interessiert. Und wenn ich jetzt nicht Musik studiert hätte, wäre es vermutlich Agrarchemie oder so etwas geworden. Das hat mir immer wahnsinnig Spaß gemacht: natürliche Zusammenhänge erklären oder der Natur sogar helfen zu können, wenn man versteht, wie der Kreislauf funktioniert. Das darf ich jetzt im Kleinen machen und der Natur zuschauen, wie sie das so alles macht. Das ist schon saucool.
Hilft dir das, dem ganzen Druck, dem du in deiner Branche vielleicht ausgesetzt bist, zu begegnen? Als erdender Ausgleich?
Dettl Absolut! Und am meisten lerne ich, dass man die Natur und die Pflanzen einfach nicht kontrollieren kann. Du kannst dir vieles ausmalen und wünschen und planen, aber die Natur sagt manchmal einfach „Nein, das läuft jetzt nach unseren Regeln. Du kannst aber gerne dabei sein.“ Und das ist für uns als Musiker ganz ähnlich. Wir können machen und tun und sagen „Hey, wir stellen uns das so vor“. Aber wie es dann funktioniert – das Zusammenspiel mit dem Publikum – das muss man einfach zulassen. Ich finde auch philosophisch gesehen eigentlich ganz gut. Du hast nicht immer die Kontrolle, manchmal funktioniert es einfach nur im Miteinander.
Stellst du fest, dass du ein anderer geworden bist, seit ihr so erfolgreich und auch international unterwegs seid?
Dettl Ich war, als wir angefangen haben, eher so der Kontrolltyp. Aber mit den ganzen Reisen lernt man, dass die Welt einfach wahnsinnig spannend ist und sogar noch schöner wird, wenn man mal aus seiner Komfortzone rausgeht. Einfach so nach Kasachstan oder Estland zu reisen wie im letzten Jahr, hätte ich damals sicher nicht so einfach gemacht. Aber wir durften dort vor so einem so fantastischen Publikum spielen, das war irre. Wir spielen da natürlich auch auf Bairisch, aber die Leute verstehen uns trotzdem. Die schauen uns in die Augen und wissen, worum es geht. Da verliert man viele Ängste. Ich lerne durchs Publikum, „Hey, es ist ok, let‘s go, mach dein Ding“. Da habe ich mich bestimmt verändert, ja.
Ob jetzt im Festzelt in Bayern, bei uns in Salzgitter oder im Rest der Welt: Gibt es einen Unterschied im Auftritt oder der Ansprache?
Dettl Wir haben den Riesenvorteil, dass bei uns alles live ist. Wir können das Tempo, die Lautstärke, die Emotion der Show anpassen. Und das ist das, was uns am meisten Spaß macht. Bierzeltkonzerte können zum Beispiel manchmal sehr laut und schrill sein, aber manchmal auch wahnsinnig feinfühlig und emotional. Das kann man am Vortag nicht sagen. Aber man geht dann auf die Bühne und schaut, wie das Publikum drauf ist. War es eine stressige Woche, sind alle fertig, dann merkt man das. Dann muss man sie erstmal mitnehmen und warm machen. Oder das Publikum ist komplett ready und will sofort alles haben, das gibt es auch. Wir können ganz flexibel sein und das macht uns die größte Freude.
Also ist es im Prinzip auch gar nicht so wichtig, bairisch zu können?
Dettl Diese Frage bekommen wir eigentlich nur in Deutschland (lacht). Deutsche Musik ist wahnsinnig textfixiert. Nur der Text sei entscheidend, die Musik nur so drumherum. Für uns ist wichtiger welche Emotionen entstehen. Ich bin zum Beispiel ein riesengroßer Nirvana-Fan, aber da kenne ich auch nicht alle Texte. Das berührt dich doch einfach viel direkter. Ohne Umweg übers Gehirn. Nach einer Show in Neuseeland wurden wir von einem Neuseeländer gefragt, aus welcher Gegend von Neuseeland wir kämen. Dabei kamen wir ja von der anderen Seite des Planeten. Wenn es so verschwimmt und man einfach nur wahrgenommen wird als Musiker, dann ist das eigentlich das schönste Kompliment für uns.
Die bayerische Tradition ist ja ein großer Teil eures ganzen Auftritts, eurer ganzen Musik. Nun wird Tradition ja oft auch mit Attributen wie „verknöchert“, „gestrig“ und „konservativ“ gleichgesetzt. Gibt es da für dich als weltoffenen, interessierten Menschen eine Diskrepanz?
Dettl Es ist ja total egal ob jemand ganz traditionell ist, sehr gläubig oder komplett in Tracht. Solange der nett ist und mit anderen Leuten gut auskommt, dann ist der genau unser Typ. Aber wenn jemand sagt, dass bestimmte Regeln nicht durchbrochen werden dürfen, dass du dieses T-Shirt nicht tragen oder über dieses oder jenes Thema nicht singen darfst, dann haben wir ein Problem, weil das nicht zu unserer Weltoffenheit passt. Bei unseren Konzerten stehen sehr traditionelle Menschen neben Punks und Rockern und alle sind höflich zueinander und respektieren sich. Wir genießen das. Die Leute müssen einfach cool miteinander sein und vielleicht auch Interesse haben noch etwas zu lernen. Wenn jemand das nicht kann und Menschen ausschließt oder hasst, dann funktioniert es mit uns einfach nicht. Wir haben mal ein Konzert bei einem ganz traditionellen Fest gespielt. Und der Vorstand des Trachtenvereins hat einen Riesenstress gemacht, weil wir immer barfuß spielen. Zum Soundcheck kam dann ein Bus mit lauter Omas und Opas in voller Tracht. Die haben sich hingesetzt und bin runtergegangen und habe sie begrüßt: „Supertoll, dass ihr da seid, aber ihr wisst, was wir so machen?“ Die sagten nur: „Ja klar, wir haben das ganze Theater ja auch mitbekommen. Wir können mit eurer Musik auch nicht unbedingt etwas anfangen, aber wir wollten ein Zeichen setzen für die Jugend. Das es ok ist auch mal etwas anders zu machen und auszuprobieren.“ Ich kriege immer noch Gänsehaut, wenn ich davon erzähle. Und so definiere ich Bayern auch. Ich sehe viel mehr weltoffene Menschen als Ausschließende. Auf der ganzen Welt übrigens. Die Menschheit ist mehrheitlich nett und höflich. Auch wenn es ein paar Vollidioten gibt.
Fotos David Königsmann