Was für ein Jahr …

Ein Jahresrückblick für 2020? Statt einer klassischen, redaktionellen Aufarbeitung der Höhen und Tiefen der turbulenten letzten zwölf Monate geben wir Menschen aus der Region das Wort.

Ach, wie schön wäre es doch gewesen, wenn der Corona-Spuk Schlag Neujahr, 0 Uhr, einfach verschwunden wäre. Zu schön, um wahr zu sein, denn wie es aussieht, wird uns die Pandemie noch lange beschäftigen. Wir scheinen mittlerweile noch tiefer im Schlamassel zu stecken als noch vor wenigen Monaten. Für jeden Einzelnen von uns war 2020 ein turbulentes Jahr: Lehrer und Schüler haben Hürden gemeistert, Krankenpfleger und Ärzte Leben gerettet, der Einzelhandel hat uns stets gut versorgt und die Politik mit viel Hin und Her nach wirksamen Lösungen gesucht. Kaum eine Branche wurde nicht von der Krise getroffen, besonders hart ist es aber für die Gastronomie, Kultur und Kunst, die bloß zusehen konnten, wie ihr mühsam und lange aufgebauter Wirtschaftssektor langsam aber sicher den Bach runtergeht.

 

Auch unser SUBWAY-2020 hätte eigentlich ganz anders ausgesehen und geklungen – wir hatten uns schon so auf all die neuen Konzerte, Theaterpremieren, Comedy-Shows, Lesungen, Festivals, Museumsausstellungen, Kinofilme und natürlich Partys gefreut. Im April wäre eigentlich unser traditionelles, fettes Festival-Special erschienen. Geplant war es ursprünglich sogar als 32-seitiges Sonderheft. Doch das war das Erste, was uns mit Beginn der Pandemie flöten gegangen ist, als tagelang nur Event-Absagen kamen und es dann auf einmal ganz still am Telefon wurde und im Mail-Postfach nur noch gähnende Leere herrschte. Schnell stand fest, dass auch unsere alljährliche Beteiligung am UniSportFest bei den Sparkassen Open nicht stattfinden wird und ganz grundsätzlich mussten wir überlegen, wie wir das Jahr wohl überstehen, wenn etliche unserer Verteilstellen geschlossen bleiben und viele unserer regelmäßigen Themen monatelang obsolet sind.

Doch wie so viele andere haben auch wir den Kopf nicht in den Sand gesteckt, sind kreativ geworden und haben Überbrückungslösungen gefunden. Wir haben lokale Kunst- und Kulturschaffende sowie Gastronomen redaktionell unterstützt, über Spendeninitiativen berichtet und euch die Lockdown-Monate mit unterhaltsamen Schreib- und Musikvideowettbewerben versüßt. Als Team haben wir noch stärker als zuvor unser Krisenmanagement unter Beweis gestellt und sind enger denn je zusammengewachsen. Gemeinsam haben wir aber auch schöne Momente erleben dürfen – etwa im Wolters Kulturgarten oder beim Lichtparcours, beim gemeinsamen Streamen des Festival Theaterformen oder des Filmfests.

Auch die Stadt Braunschweig hat immer wieder ihr Bestes gegeben, um uns alle mit Spaß und ein wenig Normalität heil durch das Corona-Jahr zu bringen, beispielsweise mit dem sommerstadtvergnügen oder der schillernden Weihnachtsbeleuchtung, die die Stadt im Advent noch schöner hat erstrahlen lassen als in den Jahren zuvor.

Und auch euer verflixtes 2020 war sicher verrückt, nervenaufreibend und unvorhersehbar wie kein anderes Jahr zuvor. Jeden hat die Pandemie ganz anders aus dem Konzept gebracht und vor Herausforderungen gestellt, aber auch gezwungen, zu reflektieren – wie gut es einem eigentlich ging oder geht und was Familie und Freundschaft bedeuten, wie es um unsere Solidarität und ein harmonisches Miteinander bestellt ist und was andere eigentlich für großartige Berufe ausüben, die den Rückhalt unserer Gesellschaft bilden. So hat diese Pandemie trotz aller Schwierigkeiten und allen Leids vielleicht auch Gutes gebracht.

Wir haben uns bei Menschen und Persönlichkeiten aus der Region umgehört, wie sie das vergangene Jahr ganz persönlich erlebt haben. Gemeinsam blicken wir zurück und optimistisch nach vorn ins neue, hoffentlich bessere Jahr 2021.

 

Dagmar Schlingmann
Generalintendantin Staatstheater Braunschweig

Was war Ihr Highlight 2020?
Der Zusammenhalt des Hauses im Angesicht der Krise über alle Sparten und Abteilungen hinweg. Beispielhaft hat sich das im Juni und Juli gezeigt, als Ensemblemitglieder des Staatstheaters rausgegangen sind und über 50 kleine Auftritte in Hinterhöfen, Gärten und vor sozialen Einrichtungen für Braunschweiger BürgerInnen im gesamten Stadtgebiet gemacht haben. Dabei wurde Geld für in Not geratene freischaffende KünstlerInnen gesammelt. Das Motto lautete „Wir kommen zu Ihnen!“.

Was war Ihr größter Frustmoment?
Unsere verwaisten Theatersessel im Frühjahr und seit November. Ein schrecklicher Anblick. Es wurde mir noch einmal vor Augen geführt, wie sehr es darauf ankommt, dass Publikum und KünstlerInnen physisch in einem Raum zusammenkommen müssen, damit all die beglückenden, wahnwitzigen, lehrreichen und lustigen Momente entstehen, wofür ich Theater so liebe.

Was wollen Sie in 2021 unbedingt nachholen, das 2020 nicht geklappt hat?
Natürlich alle unsere Premieren und Konzerte, die fertig geprobt sind, aber durch den Virus gestoppt wurden – etwa unser Familienstück „Alice im Wunderland“, die Schauspiel-Produktionen „Frau Ada denkt Unerhörtes“ und „Pfisters Mühle: Ein Heimatverein“ sowie Antonín Dvořáks fantastische Oper „Rusalka“.

Mirko Rüsing
Geschäftsführer Media Markt Braunschweig, stellvertretender Vorsitzender Arbeitsausschuss Innenstadt

Was war 2020 dein größter Frustmoment?
Als wir am 18. März den Markt schließen mussten, ohne dass wir wussten, in welche Richtung sich alles entwickelt. Die erste Aussage war ja, dass wir alles komplett dicht machen müssen und nicht einmal mehr Ware aus dem Markt verschicken können. Das hat sich zum Glück nicht bestätigt und wir konnten zumindest mit einem kleinen Teil an Mitarbeitern alle Kundenwünsche und Bestellungen verschicken oder übergeben.

Wie hast du die lokale und regionale Wirtschaft unterstützt?
Da wir alle Urlaube streichen mussten, haben wir die wenige freie Zeit intensiv in der Region und vor allem in Braunschweig verbracht. Alles, was noch ging oder wieder gelockert wurde, haben wir besucht. Wir waren ständig in der örtlichen Gastronomie und meine Tochter mit ihren vier Jahren zum ersten Mal im Kino. Wir kaufen aktuell alles nur noch lokal und regional. Wir sagen weiterhin „Ja“ zu Braunschweig und hoffen, dass alle gut und sicher durch diese Krise kommen.

Gibt es etwas Positives, das du aus 2020 mit ins neue Jahr nehmen wirst?
Sehr viel sogar. Wir haben wegen der Schließung und den vielen Auflagen einiges verändern müssen, haben unsere Abläufe einmal komplett gedreht und sind als Mannschaft noch stärker zusammengewachsen. Wir haben heute ein noch besseres Verständnis füreinander und leben ein sehr hohes Maß an Vertrauen. Jeder steht heute noch mehr für den anderen ein. Privat war ich gefühlt noch nie so nah an meiner Familie, sie haben mich großartig unterstützt und gestärkt und ich genieße die wenige Zeit mit ihnen noch intensiver. Alles in allem haben wir heute ein ganz anderes Bewusstsein – sowohl geschäftlich als auch privat. Dafür bin ich trotz der ganzen negativen Umstände sehr dankbar und sehr stolz.

Christian Eitner
Bassist Jazzkantine, Leiter „Pop meets Classic“, künstlerischer Leiter Wintertheater

Was war dein größter Frustmoment?
Die Absage des Wintertheaters kurz vor dessen Beginn nach vier Monaten Vorbereitung. Das war brutal und hinterlässt eine fürchterlich Leere.

Wie hat sich deine Einstellung gegenüber der Einschränkungen und Maßnahmen in 2020 über die Monate verändert?
Gleichbleibend. Bei aller berechtigten Kritik finde ich die Maßnahmen unterm Strich gut und richtig. Ich möchte mit keinem der Entscheider tauschen und finde es gut, dass die Mehrzahl der Leute solidarisch an einem Strang zieht.

Hatte das Jahr mit all seinen Rückschlägen auch etwas Gutes?
Sicherlich das Entschleunigen, die Solidarität untereinander und das Augenöffnen für die wichtigen Dinge im Leben.

Till Burgwächter
Schriftsteller, Journalist

Was war dein Highlight 2020?
Der vollkommen verdiente und niemals in Frage stehende Aufstieg unserer Eintracht!

Was war dein größter Frustmoment?
Die Absage von Iron Maiden in Berlin.

Corona vs. Eddie 1:0.
Was hat dir 2020 am meisten gefehlt?
Die Geselligkeit in Kneipen, Restaurants, im Stadion und bei Konzerten.

Wie wäre dein 2020 ohne Corona verlaufen?
Lauter, feuchter, fröhlicher, besser.

Wie hast du die lokale Kultur und Gastronomie unterstützt?
Als Kunde mit diversen Besuchen in meinen Lieblingslokalitäten, soweit das eben ging. Als Autor habe ich so viele lokale Lesungen durchgezogen wie nur möglich. Mit tatkräftiger Unterstützung Braunschweiger Veranstalter und anderer Kulturschaffender wie dem Hotel666, KufA e. V., Mokkabär, Black Button, Klaue, Café Riptide und einigen mehr.

Wie hat sich deine Einstellung gegenüber der Einschränkungen und Maßnahmen in 2020 über die Monate verändert?
Geringfügig. Aber die überhebliche Ignoranz der Politik gegenüber den Kulturbetrieben und ihren Mitarbeitern schockiert mich immer noch.

Hatte das Jahr mit all seinen Rückschlägen auch etwas Gutes?
Eine Vermutung hat sich bestätigt: Ich lebe auf einem Planeten mit sehr vielen Idioten.

Frank Tobian
Leiter des Jugendzentrums B58, Fotograf

Was war dein Highlight 2020?
Im B58 mit vielen kreativen und besonderen Menschen arbeiten zu können.

Was war dein größter Frustmoment?
Ich glaube, der baut sich gerade erst kontinuierlich auf. Ich realisiere immer mehr, dass wir so schnell wohl nicht zu einem ähnlichen Alltag wie vor der Corona-Krise zurückkehren werden. Unbefangenheit und Leichtigkeit werden immer schwieriger im menschlichen Umgang, eine gesellschaftliche Spaltung schreitet wohl immer weiter voran. Dieser Frust verstärkt sich noch umso mehr, wenn ich dann merke, dass wir hier eher ein „Luxusproblem“ haben, da es vielen Menschen wirklich schlecht geht. Krieg und Vertreibung, Hass und Gewalt, eine schlechte Grundversorgung – es gibt so viele Menschen, die weit unter der Armutsgrenze vegetieren und um ihr Leben fürchten müssen …

Wie hast du die lokale Kultur unterstützt?
Im beruflichen Kontext haben wir versucht, im B58 etwas für die regionale Musikszene zu machen. Wir haben kleine Konzert-Streams gemacht, Videos mit Bands gedreht und dabei versucht, auch Menschen, die als Soloselbständige im Veranstaltungsgewerbe unterwegs sind und im B58 seit vielen Jahren wichtige Arbeit leisten, zu unterstützen. Privat habe ich meiner Lieblingskaschemme, der Klaue, etwas gespendet.

The Esprits
Rockband

Wie wäre euer 2020 ohne Corona verlaufen?
Wir hätten eine Menge Konzerte gespielt, wären viel unterwegs gewesen und hätten die ganzen schönen Baustellen in Braunschweig verpasst. Leider ist daraus nur ein Tour-Stop im Februar in Saarbrücken und ein Autokino-Konzert im Sommer in Hannover geworden. Außerdem wollten wir 2020 ins Studio. Waren wir zum Glück auch. 2021 wird was kommen.

Was war euer Highlight 2020?
2020 war vieles anders, aber trotz allem hatte auch dieses Jahr Highlights. Wir waren knapp sechs Wochen in Hamburg und haben neue Musik aufgenommen. Generell haben wir dieses Jahr sehr viel neue Musik gemacht. Das war schon eine verrückte Zeit und durch die Beschränkungen wie in einer Kapsel, die nur aus Musik bestand. Anders, bestimmt auch komisch, aber eben auch großartig!

Was wollt ihr in 2021 unbedingt nachholen, das 2020 nicht geklappt hat?
Im Allgemeinen natürlich Konzerte! Ganz besonders aber die Jahresabschluss-Show im Westand hier in Braunschweig. Wir haben das ganze Jahr über gehofft, dass wenigstens diese Show stattfinden kann. Jetzt mussten wir auf 2021 verschieben. Ist halt so. Aber die Vorfreude und Hoffnung auf 2021 ist schon groß – wir hoffen in unserer Heimatstadt auch!

Susanne Thiele
Pressesprecherin Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Schriftstellerin

Was war Ihr Highlight 2020?
Für mich als Pressesprecherin an einem Forschungszentrum, welches sich mit Infektionen beschäftigt, war es 2020 eine sehr positive Erfahrung, wie gefragt unsere ExpertInnen in diesem Jahr in den nationalen und internationalen Medien waren. Das ist bei unseren Themen nicht immer so: Epidemien oder resistente Erreger bekommen leider erst größere Aufmerksamkeit, wenn es schon brennt und so kommt die Vorsorge zu kurz. Es gab Hunderte von komplexen und komplizierten Fragen zum SARS-COV-2-Virus oder zur Eindämmung der Pandemie, die es zu beantworten oder einzuordnen galt. Das HZI ist glücklicherweise sehr breit in der Virologie, Epidemiologie, Modellierung oder bei der Impfstoff-Forschung aufgestellt. Das ist ein wunderbarer Erfolg für die Wissenschaftskommunikation – aber darin liegt auch eine große Verantwortung, wenn es darum geht, die Politik zu beraten oder falsche Thesen immer wieder dezidiert zu widerlegen.

Was wollen Sie 2021 unbedingt nachholen, das 2020 nicht geklappt hat?
Allein durch das Arbeitsaufkommen in der Pressestelle, aber auch durch die Corona-Beschränkungen sind natürlich längere Urlaube und ein paar schöne Reisen ausgefallen. Runde Geburtstage wurden bei uns nicht mit einer rauschenden Party, sondern klein im Familienkreis begangen – vielleicht können wir das im nächsten Jahr nachholen. Ich bin nebenberuflich Autorin und vermisse natürlich die Buchmessen, die Lesungen, den direkten Kontakt zu meinen LeserInnen und den Austausch unter den Schreibenden. Aber ich habe die freie Zeit gut genutzt und mit einer Koautorin an einem neuen Buchprojekt gearbeitet – ein Science-Thriller, der im Herbst 2021 bei Bastei-Lübbe herauskommt.

Gibt es etwas Positives, das Sie aus 2020 ins neue Jahr mitnehmen?
Die Corona-Pandemie hat uns im Positiven auf wichtige Werte zurückgeworfen: Familie, Freunde, Solidarität und Fürsorge für den Menschen neben dir. Ich komme mit viel weniger Konsum aus, als ich vorher dachte. Die Natur war mein Ausgleich für stressreiche Zeiten. Wir sind als Familie viel im Harz wandern gegangen – vielleicht gehen wir im nächsten Jahr noch mehr Wanderstempel sammeln. Die Pandemie ist auch ein Innovationstreiber – wie man jetzt zum Beispiel an der Digitalisierung in den Firmen, in Anfängen in den Schulen oder auch in Gesundheitsämtern zur Nachverfolgung der Infektionsketten sieht. Das reicht bis zu Videochats mit Freunden oder dem Leseclub in der Freizeit. Ich hatte sogar ein virtuelles Biertasting mit der Braunschweiger Brauerei am Rebenring mit vorheriger, exklusiver Bierlieferung.

Nizar Fahem
Fotograf, Vorsitzender Art Culture Poverty Worldwide e. V.

Was war dein größter Frustmoment 2020?
Es macht mich traurig, dass so viele Familien geliebte Menschen durch die Corona-Pandemie verloren haben und es kaum möglich war, sich würdevoll von seinen Angehörigen zu verabschieden. Weltweit haben Menschen von heute auf morgen ihre Jobs verloren, ohne von einem sozialen Netz aufgefangen zu werden. Besonders Kinder und Frauen haben derzeit zudem große Probleme, ihr tägliches Leben zu finanzieren. Selbst die Mittel für notwendige Lebensmittel sind oft nicht mehr vorhanden.

Was hat dir 2020 am meisten gefehlt?
Ich bin von Beruf Pressefotograf und normalerweise täglich unterwegs auf Veranstaltungen, Events und Pressekonferenzen. Besonders fehlten mir in den vergangenen Monaten meine Kamera und die dazugehörigen sozialen Kontakte.

Hatte das Jahr auch etwas Gutes?
Allzu viel war es leider nicht, aber das Positivste war für mich die Erkenntnis, dass wir alle nicht ohneeinander leben können und dass Geld nur ein Mittel zum Überleben ist und keinerlei menschliche Hilfe und Nähe ersetzt. Auch positiv war und ist, dass ich viel Zeit für meine kleine Tochter habe.

Andreas Sander
CEO Kosatec Computer

Was war Ihr Highlight 2020?
Meine Familie!

Was hat Ihnen 2020 am meisten gefehlt?
Dass sich die Menschen respektieren und ­miteinander reden.

Wie haben Sie die lokale und regionale Wirtschaft unterstützt?
In vielerlei Hinsicht: Meine Mitarbeiter, die lokale Restaurantszene und verschiedene Gesundheitsorganisationen wurden von mir bedacht.

Jonny S
Rapper, Creative Director wehyve, Leitung Urban Culture

Was war dein größter Frustmoment?
Eigentlich hatte ich dieses Jahr vor, noch viel mehr Musik zu veröffentlichen. Das ist mir leider nicht geglückt, da meine Familie zu ernähren nun mal Vorrang hatte. Das hat mich schon sehr frustriert. Wir hätten außerdem ein, zwei richtig geile Bookings außerhalb der Region gehabt – aber auch das ist dann flachgefallen. Nebenbei hat das Geld dann auch leider nicht gereicht, um mit meiner Familie in den Urlaub zu fahren – mal ganz abseits davon, dass die Optionen ja auch eher spärlich waren dieses Jahr.

Was wird sich 2021 bei dir verändern?
Es ändert sich ja täglich irgendwas. Was sich nach diesem Jahr schon verändert hat und sich potenziell nächsten Jahr auch fortsetzen wird, ist, dass ich viel weniger Social Media konsumiere – vielleicht kappe ich da sogar ganz die Leinen. Aktuell nervt mich das alles tierisch.

Wie hast du 2020 deinen Geburtstag gefeiert?
Ich befürchte sehr illegal. (lacht) Ich habe zum Glück einen Garten und ein paar Freunde waren da. Das tat gut.

Wie hat sich deine Einstellung gegenüber der Einschränkungen und Maßnahmen in 2020 über die Monate verändert?
Ich habe das von Anfang an mitgetragen. Es gab einen kleinen Moment, an dem ich mit meiner Familie einkaufen war und alle um mich herum Masken trugen. Da hatte ich als bekennender Individualist kurz Schiss, dass hier was Negatives im Gange ist. Das war aber nur ein sehr kurzer Moment, denn das Einschränken, wogegen ja auch diese Querdenker protestieren, hatte und hat einen tief solidarischen Zweck. Man tendiert so leicht dazu, die Dinge aus der Egoperspektive zu betrachten – hier geht‘s aber nicht um mich. Als ich das für mich erkannt habe, war und bin ich damit fein gewesen. Und jetzt fühlt sich das ja auch schon irgendwie normal an.

Hatte das Jahr mit all seinen Rückschlägen auch was Gutes?
Ich bin 2020 extrem dankbar. Ich hatte die Chance, ganz viel Dinge neu zu lernen, was ich ohne diese Ausnahmesituation niemals erfahren hätte. Ich bin sehr dankbar für Menschen, mit denen ich ganz viel bewegen konnte. Ich bin dankbar für die Hindernisse, die mir in den Weg gelegt wurden, weil ich dabei ein paar echt gute Dinge über mich erkennen konnte und nun dabei bin, aktiv an mir selbst etwas zu ändern.

Luc Degla
Inhaber Sowjethaus, Schriftsteller, Kulturvermittler

Was war dein Highlight 2020?
Der Empfang der ersten Gäste nach dem Lockdown.

Was war dein größter Frustmoment?
Nach dem Lockdown musste ich die Anzahlungen für die Feiern im Sowjethaus zurückbezahlen. Das war sehr frustrierend. Kein Geld kam aufs Konto, ich musste aber trotzdem Überweisungen tätigen.

Was hat dir 2020 am meisten gefehlt?
Die Wärme der Menschen.

Was willst du in 2021 unbedingt nachholen, das 2020 nicht geklappt hat?
Eine Reise in die alte Heimat Benin.

Wie wäre dein 2020 ohne Corona verlaufen?
Ich habe am 26. Februar den Pachtvertrag für einen Laden in der Stadt unterschrieben. Ich hätte dort viele schöne Veranstaltungen gehabt.

Wie hast du 2020 deinen Geburtstag gefeiert?
Ich habe viel telefoniert, danach eine Flasche Wein geleert.

Wie hast du die Gastronomie unterstützt?
Ich bin selbst Gastronom – viele Menschen haben mich unterstützt … Ich kann mich nicht genug dafür bedanken.

Hatte das Jahr mit all seinen Rückschlägen auch was Gutes?
Plötzlich merkt man, was man vorher hatte. Etwas Gutes? Ich konnte mich darauf besinnen, langsamer zu leben.

Chris Rank
Inhaber Café Riptide, DJ

Was war dein größter Frustmoment 2020?
Den Unterschied zwischen versprochenen Hilfeleistungen seitens des Staates und der Realität festzustellen. Im ersten Lockdown wurden wir – damals noch mit zwei Geschäften – komplett fallengelassen und nur durch unfassbare private Unterstützung gerettet. Dann hatte ich gehofft, die Bundesregierung würde im Sommer ihre Hausaufgaben machen und wir alle wären dann für die zweite Welle besser gerüstet. Weit gefehlt. Die zugesagte Novemberhilfe soll jetzt wohl erst im Januar kommen. Durch so eine Verspätung droht uns erneut die Insolvenz. Und dass grundsätzlich Gastronomie und Kultur nahezu stigmatisiert worden sind … Beide Branchen hatten mehr als andere Konzepte entwickelt, investiert und Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Der sogenannte Lockdown light trifft sie nun zu 100 Prozent, während gleichzeitig Kreuzfahrtschiffe starten, in öffentlichen ­Verkehrsmitteln nicht einmal Abstand gehalten werden kann und Schulen oder Gottesdienste gut gefüllt sind. Im Lockdown light hat sich ganz deutlich gezeigt, wer eine Lobby in Deutschland hat, für wen die GroKo Politik macht und für wen nicht. Wusstet ihr, dass man bei bei Schließung auf behördliche Anordnung hin nicht einmal die Rundfunkzwangsabgabe erstattet bekommt? Selbst für den sechs Monate leerstehenden alten Laden im Handelsweg muss diese nachgezahlt werden. Da ist der Frust schon ziemlich groß.

Was hat dir 2020 am meisten gefehlt?
Kontakte und Kultur. Ich mag Geselligkeit sehr, hatte viele Tickets für Konzerte (Iron Maiden, Nick Cave, Billy Bragg, Die Ärzte …), die alle nicht wahrgenommen werden konnten. Ebenso das eigene Auflegen in Clubs, Freunde treffen, ins Kino gehen … Das gesamte soziokulturelle Leben fehlt mir sehr, mit Freunden Ausflüge machen und Dinge erleben.

Wie hast du 2020 deinen Geburtstag gefeiert?
Ich habe mich mit zehn Freunden getroffen und ein richtiges Hygienekonzept erstellt, damit das möglich war. Wir haben alle mit Masken und großen Abständen zusammengesessen, gegessen und gelacht. Jeder hatte einen eigenen beschrifteten Teller und es gab nur Flaschengetränke. War skurill, aber lieber so als gar nicht.

Anika Loffhagen
Sängerin Mother Black Cat, Gesangscoach

Wie hat sich deine Einstellung gegenüber der Einschränkungen und Maßnahmen in 2020 über die Monate verändert?
Überhaupt nicht. Ich halte die Abstands- und Mundschutzregeln nach wie vor für nachvollziehbar und notwendig. Ich selbst lebe in einem Mehrgenerationenhaushalt und trage sehr viel Verantwortung für Menschen, die zur Risikogruppe gehören. Und selbst wenn dem nicht so wäre, ist Solidarität für mich eine Selbstverständlichkeit und völlig indiskutabel. Ich denke, wir dürfen nicht vergessen, dass wir all die Maßnahmen, die im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit COVID-19 erhoben wurden, nicht irgendwelchen Politikern zu verdanken haben, die gerade mal Lust hatten, uns alle voneinander zu isolieren, sondern einer hochgradig ansteckenden und lebensgefährlichen Krankheit.

Wie wäre dein 2020 ohne Corona verlaufen?
Schwer zu sagen. Einige Projekte wären wahrscheinlich mehr vorangekommen, andere wohl weniger. Zum Beispiel hätte sich mein Soloprogramm vermutlich nicht so rasant entwickelt, mit dem ich 2020 ja schon ein paar kleine Konzerte geben durfte. Daraus wiederum entstehen nun andere Dinge, auf die ich mich sehr freue. So wird es zwei neue Projekte geben, die ich gerade vorbereite. Es lohnt sich also auf jeden Fall, meine Kanäle (Facebook, Instagram, YouTube) zu abonnieren, wenn man nichts verpassen will. Außerdem hoffe ich sehr, dass ich mit meinen Jungs von Mother Black Cat weiter am zweiten Album arbeiten kann. Dabei sind wir leider sehr ausgebremst worden. 2020 wären wir im Normalfall auch einige Male gemeinsam auf der Bühne gewesen – das hat mir doch sehr gefehlt! Auf jeden Fall kommen 2021 auch neue Aufgaben in Sachen Gesangscoaching und musische Kinderförderung auf mich zu. Ich stehe also bei vielen Dingen in den Start-
löchern und warte nur darauf, dass ich endlich loslegen darf.

Gibt es etwas Positives, das du aus 2020 ins neue Jahr mitnimmst?
Ich habe auf so manche Dinge einen ganz neuen Blick gewonnen, habe erlebt, wie sauber die Luft riechen kann, wenn viel weniger Autos fahren, habe erfahren, wie sehr sich manche Menschen freuen, wenn sie mich nach langer Zeit wiedersehen, habe meine Freundschaften selbst auf eine ganz neue Art wertschätzen gelernt, habe meine Kinder eine Zeit lang sehr viel intensiver erleben dürfen als sonst, habe mich wieder an das Spielen von Instrumenten und an das Schreiben von Songs in ganz neuen Genres gewagt und und und … Egal, wie angsteinflößend, verunsichernd und niederschmetternd ein Jahr auf der einen Seite sein mag, kann es doch immer auch sehr viel Positives hervorbringen, wenn man es zulässt. Das ist eine Lektion, die mich 2020 definitiv gelehrt hat.

Anja Schweers
Leitung Unternehmenskommunikation, Herzogin Elisabeth Hospital

Was hat Ihnen 2020 am meisten gefehlt?
Ganz ehrlich – am meisten hat mir das Reisen gefehlt. Im April sollte es nach Bali gehen, im Herbst nach Wien. Beides ist nichts geworden. Und Urlaub zu Hause ist nichts für mich. Wirkliche Freiheit spüre ich erst, wenn ich andere Kulturen oder Menschen erlebe.

Wie haben Sie 2020 Ihren Geburtstag gefeiert?
Ich war in Berlin bei meinem Sohn, der dort an der TU studiert. Bei schönstem Wetter waren wir im Biergarten am Neuen See, das hatte wenigstens etwas Urlaubsfeeling. Dafür habe ich aber schon große Pläne für meinen nächsten Geburtstag – weit, weit weg muss es gehen.

Gibt es etwas Positives, das Sie aus 2020 ins neue Jahr mitnehmen?
Ja, es ist auch wirklich viel Positives entstanden in diesem Jahr. Zum Beispiel ein sehr enger, sehr persönlicher Zusammenhalt mit Kollegen, der vielleicht ohne Corona nicht entstanden wäre – gemeinsame Überstunden haben doch auch etwas Gutes. Oder Aktionen, die aus der Not heraus entstanden sind, etwa als die Mitarbeiter des Staatstheaters Braunschweig und ganz viele Privatpersonen für uns die ersten Stoffmasken genäht haben. Diese Welle der Unterstützung hat mich persönlich unglaublich berührt.

Thomas Spork
Vorsitzender des Weihnachten für alle e. V.

Was war Ihr größter Frustmoment 2020?
Der Moment, als die endgültige Absage für unser Weihnachtsessen für wohnungslose und bedürftige Menschen kam. Auch wenn diese Entscheidung absehbar war, ist es doch schmerzhaft, dass wir all die Menschen, die jährlich zu uns kommen, dieses Mal nicht bewirten durften. Wir haben aber bereits die Zusage unserer Sponsoren, dass wir das Essen nachholen werden, sobald die Bedingungen es wieder zulassen.

Wie hat sich Ihre Einstellung gegenüber der Einschränkungen und Corona-Maßnahmen in 2020 über die Monate verändert?
In meiner Heimat gibt es das kölsche Grundgesetz. Artikel 7 besagt: „Wat wellste maache?“ – KölnerInnen sind Kummer gewohnt und lassen sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Auch wenn die Situation nervt, müssen wir doch irgendwie lernen, damit umzugehen. Wenn wir alle gelassen und umsichtig bleiben, geht auch das irgendwann wieder vorbei.

Gibt es etwas Positives, das Sie aus dem vergangenen Jahr 2020 in 2021 mitnehmen können?
Ich sehe einige positive Entwicklungen, die durch Corona ganz neue Bedeutungen erhalten haben. Beispielsweise müssen wir nicht zu jedem Meeting und jeder Veranstaltung persönlich anreisen und dafür wertvolle Ressourcen verbrennen.

Lord Schadt
Schriftsteller, kulinarischer Tourguide

Wie hast du 2020 deinen Geburtstag gefeiert?
Im Wald mit vielen Bäumen und einer Flasche Whisky, da es für Bäume keine Abstandsregelungen und Kontaktbeschränkungen gibt.

Was war dein größter Frustmoment?
Der erstarkende Hass gegen Andersdenkende und der voreilende autoritäre Gehorsam der Cancel Culture.

Was hat dir 2020 am meisten gefehlt?
Zufällige Begegnungen und menschliche Nähe.

Wie hat sich deine Einstellung gegenüber der Einschränkungen und Corona-Maßnahmen in 2020 über die Monate verändert?
Jede Zeit hat ihre außergewöhnlichen populären Wahnvorstellungen. Den Corona-Wahn empfinde ich jedoch bisher als außergewöhnlich resistent und zäh. Ein Blick auf die Geschichte zeigt jedoch: Auch das geht vorbei.

Wie hast du die lokale Gastronomie unterstützt?
Als kulinarischer Tourguide bin ich recht nah an der Szene und kenne die vielfältigen Probleme, mit denen die Gastro und die kulturellen Veranstaltungsorte zu kämpfen haben. Daher habe ich viele Gutscheine gekauft, die ich in einer Kiste lagere und vermutlich nicht einlösen werde.

Gibt es auch etwas Positives, das du aus 2020 ins neue Jahr mitnimmst?
Im Nachhinein werden wir sagen, dass der Himmel nie blauer leuchtete als in 2020, die Vögel sangen nie lauter und die Luft duftete nie reiner. Und wer genau hingehört hat, konnte auch viele kluge Stimmen und fröhliche Herzen hören.

 

Text Benyamin Bahri, Louisa Ferch, Denise Rosentha

Fotos Herzogin Elisabeth Hospital, Weihnachten für alle e. V, Lord Schadt, Anika Loffhagen, archiwiz-stock.adobe.com, SUBWAY, C. Böwig, Verena Meier, Nizar Fahem, Andreas Sander, ASDRKLS, Sarah Quandt, Anke Greite, Ruben „HOPHVF“ Wiele, Björn Hickmann, Media Markt Braunschweig, ro9drigo-stock.adobe.com

 

 

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Louisa Ferch

Geschrieben von Louisa Ferch

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