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Emotionen vermitteln

Der Foto- und Videograf Andreas Rodemann dreht Imagefilme und Reportagen und ist leidenschaftlich in der lokalen Musikszene tätig. Wir haben mit ihm über seine Arbeit und sein Movember-Engagement gesprochen.

 

Du bist als Foto- und Videograf viel in der Musikszene unterwegs und ein Wegbegleiter verschiedenster Künstler*innen. Wie hat das alles für dich angefangen?
Die Begeisterung für Musik und Fotografie war bei mir schon relativ früh da. Ich bin aufgewachsen mit MTV und VIVA und bin dann auch als Teenager relativ schnell in die Punk- und Hardcoreszene gekommen. Meine ersten Berührungspunkte waren damals Millencolin, die Beatsteaks, The Offspring und das waren und sind dann auch Bands, die mich sehr geprägt haben. In meiner Heimat (ich bin in Oschersleben groß geworden und wohne seit 15 Jahren in Braunschweig) gab es damals ein alternatives Jugendzentrum, in dem ich mit einer meiner damaligen Bands geprobt habe. Dort fanden dann auch Konzerte statt, die regelmäßig von Konzertfotograf*innen dokumentiert wurden. Und das hat mich irgendwie total umgehauen: die Stimmung, die Emotionen dieser Abende festzuhalten und dann im Nachhinein noch einmal zu sehen. Ich weiß noch, wie wir dann damals immer auf Myspace gegangen sind und nachgeschaut haben, ob wir auf den Fotos zu sehen sind. Irgendwann habe ich mir dann einfach selbst eine Kamera gekauft und fing an, meine ersten Konzerte zu fotografieren.

Gibt es einen Moment oder ein Projekt, von dem du sagen würdest: Das war der Punkt, an dem ich wusste – das ist mein Weg?
Ja definitiv – das war die Zeit, in der ich meine Band GR:MM hatte. Wir haben 2017 angefangen und wollten unbedingt was erreichen. Also nicht nur in Braunschweig spielen, sondern richtig touren usw. Wir planten dann unsere erste EP zu releasen, wollten dazu aber auch ein Musikvideo drehen. Das Problem war nur, wir hatten absolut kein Budget. Ich hatte mir zu der Zeit aber gerade die Panasonic GH2 gebraucht gekauft und habe mich kurzerhand entschlossen, das Video selber zu drehen. Und dafür, dass ich damals nur Grundkenntnisse vom Filmen hatte, hat das erstaunlich gut geklappt. Ich habe daraufhin dann noch weitere Videos für GR:MM aber auch für die Forkupines und ein paar andere Locals gedreht und habe mich dann 2020 selbständig gemacht.

Du arbeitest mit Musiker*innen aus ganz unterschiedlichen Genres. Wie gehst du auf die individuellen Stile und Persönlichkeiten ein, wenn du Shootings oder Videos konzipierst?
Ich glaube ein großer Vorteil ist, dass ich selbst musikalisch auch recht breit aufgestellt bin. Ich komme zwar aus dem Punk und Hardcore, höre privat aber auch viele andere Genres. Das wichtigste für mich ist aber immer die Kommunikation mit den Bands und Musiker*innen. Und das halt auch, bevor wir überhaupt anfangen zu shooten oder zu drehen. Ich möchte verstehen, was ihnen wichtig ist, was sie aussagen möchten und das dann visuell umsetzen. Deswegen stecke ich sehr viel Zeit in die Vorproduktion, um gemeinsam mit allen Beteiligten auszuarbeiten, wo die Reise hingehen soll.

Deine Arbeiten transportieren immer eine besondere Stimmung – roh, emotional oder intim. Was ist dir beim Fotografieren von Musiker*innen besonders wichtig?
Mir ist es sehr wichtig, dass sich Musiker*innen vor meiner Kamera wohl fühlen und mir vertrauen. Insbesondere wenn ich als Fotograf auf der Bühne bin, versuche ich die Menschen und den Moment so darzustellen, wie er ist.

Was unterscheidet für dich ein gutes Bandfoto oder Musikvideo von einem großartigen?
Für mich muss ein großartiges Foto oder auch Video technisch nicht perfekt oder super komplex sein, sondern Emotionen vermitteln. Es muss eine Geschichte erzählen. Insbesondere in der Fotografie sind es oft diese kleinen „Imperfections“, die ein Foto so besonders machen. Was ich meine ist, es gibt so viele Fotos, bei denen der Fokus nicht sitzt, die aber einen ganz besonderen Moment einfangen und dadurch so viel besser sind, als ein gestochen scharfes Bild, was man auch in jeder Stockbibliothek bekommt.

Wie hat sich deine Arbeit in den letzten Jahren verändert – gerade durch Social Media, kurze Formate und den ständigen Contentdruck?
Ich habe unglaublich viele Bands, Musiker*innen und generell Menschen durch Instagram & Co. kennengelernt, von daher hat mir Social Media schon echt viele Türen geöffnet. Man merkt auch, dass Short Form Content mittlerweile auch im Musikbereich super wichtig ist. Lass es auf der einen Seite kurze Konzertrecaps sein, die ich sehr gern produziere, aber auch kurze Visualizer, um z.B. neue Singles zu promoten. Auf der anderen Seite bedeutet das natürlich auch eine Menge Druck für alle Beteiligten. Bands müssen gefühlt mehr posten als dass sie Musik machen und ich muss den Content super schnell liefern. Ständig kreativ zu sein ist hier dann manchmal echt herausfordernd, aber es macht auch mega Spaß.

Du engagierst dich seit Jahren für die Movember Foundation, die sich für Männergesundheit einsetzt. Wie kam es zu diesem Engagement?
Mein Vater ist im Februar 2013 an Darmkrebs gestorben. Das war der Auslöser mich mit der Movember Foundation zu beschäftigen, die sich seit 2003 für das Thema Männergesundheit einsetzt und auf Themen wie Hodenkrebs, Prostatakrebs und die mentale Gesundheit von Männern aufmerksam macht. So richtig los ging mein Engagement dann aber nach meiner eigenen Hodenkrebs-Diagnose im März 2019. Mittlerweile bin ich in meinem 11ten Jahr als „Mo Bro“. In den letzten Jahren habe ich es regelmäßig in die Top20 der Spendensammler aus Deutschland geschafft und bin seit diesem Jahr auch Mitglied der Hall of Fame des Movembers mit über 10.000 Euro an gesammelten Spenden.

Viele Männer sprechen ungern über Themen wie Depression, Burnout oder Vorsorge. Wie kann man das aus deiner Sicht verändern?
Letztlich müssen wir es irgendwie schaffen, uns von klassischen und traditionellen Rollenbildern zu lösen, die leider auch unter jungen Männern viel zu verbreitet sind. Wir müssen uns klar machen, dass es vollkommen ok ist, über Gefühle zu reden, wenn es uns nicht gut geht. Wir müssen uns klar machen, dass Schwäche zeigen eigentlich eine Stärke ist. Es ist ok, sich verletzlich zu zeigen. Es ist ok, wenn etwas nicht ok ist. Und Gleiches gilt auch für die körperliche Gesundheit. Männer hören viel zu selten auf ihren Körper und haben immer diese „das geht von alleine weg Mentalität“. Ich kann aus eigener Erfahrung nur sagen: Wenn Ihr Veränderungen an Euch oder Eurem Körper feststellt, dann redet darüber und lasst Euch durchchecken. Und das lieber einmal zu oft.

Du nutzt deine Reichweite und deine Kreativität, um auf den Movember aufmerksam zu machen. Welche Aktionen oder Projekte hast du in dem Zusammenhang schon umgesetzt?
Das sind über die Jahre tatsächlich eine ganze Menge geworden: Ich veröffentliche seit 2019 regelmäßig Videos zum Thema Movember und Männergesundheit auf meinem YouTube Kanal und meinen anderen Socials. In den letzten 3 Jahren habe ich außerdem immer eine Veranstaltung mit Speakern und musikalischen Gästen im Jugendzentrum B58 durchgeführt. Ich habe „Herr Rodemann x Movember Shirts“ drucken lassen und die Einnahmen gespendet, ich durfte an einer Videoreihe für Arte über das Thema Hodenkrebs teilnehmen und noch eine ganze Menge mehr.

Gibt es Rückmeldungen oder Begegnungen aus der Movember-Zeit, die dir besonders im Gedächtnis geblieben sind?
Besonders schön ist, wenn Leute mir sagen, dass sie auf Grund meines Engagements zur Vorsorge gegangen sind. Das ist in den letzten Jahren des öfteren passiert und macht mich dann schon ein bisschen stolz. Außerdem gab es ein paar Momente bei meinen Movember-Events die mich sehr berührt haben. Ich erinnere mich da super gern an Adam Staubbart, der seine allererste Lesung auf meinem Event gehalten hatte, an den musikalischen Vortrag von Martin Hampe der ganz offen und ehrlich über seine Depressionen und die Behandlung sprach oder an meine Freunde von Bucketlist, die auf meinem ersten Event ein komplett akustisches Set gespielt haben.

Wie verbindest du dein künstlerisches Schaffen mit deiner sozialen Verantwortung – oder anders gefragt: Wie inspirieren sich diese beiden Seiten gegenseitig?
Mein Engagement hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, sich mit der eigenen Gesundheit auseinanderzusetzen. Und das nicht nur einen Monat im Jahr. Deswegen versuche ich Themen wie mentale Gesundheit, Burnout etc. immer wieder in meinen Content einfließen zu lassen. Und als Fotograf und Videograf habe ich da halt auch eine Menge Möglichkeiten zu.

Wenn du nach vorne schaust – was treibt dich gerade an, beruflich wie persönlich?
Persönlich treibt mich definitiv meine Familie an. Ich habe eine tolle Partnerin, bin mittlerweile Vater und habe da einen wundervollen kleinen Menschen, der mir jeden Tag aufs Neue zeigt, warum es wichtig ist, sich für mentale Gesundheit und Gesundheit im Allgemeinen einzusetzen. Beruflich ist es zum einen der Wille, noch besser zu werden, mehr Leute zu erreichen und auch Bock darauf, noch so viele Geschichten mit meiner Kamera zu erzählen.

Fotos Herr Rodemann

Vergiss nicht, abzustimmen.
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Lars Wilhelm

Geschrieben von Lars Wilhelm

„Es ist wenig Kunstfigur, es ist sehr viel Marvin“