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Toxisch

Wie Filme und Serien problematische Männerbilder festigen

 

Erst kürzlich wurde die „Jugendtrendstudie 2025“ veröffentlicht – mit erschreckendem Ergebnis: Nahezu 100 % der 16- bis 30-jährigen Frauen gaben an, Angst vor Übergriffen durch Männer zu haben. Studien wie diese zeigen ein tiefgreifendes gesellschaftliches Problem, das zwar öffentlich diskutiert wird, gleichzeitig aber polarisiert und spaltet. Schlagworte wie Feminismus nerven viele – schließlich könne doch alles noch viel schlimmer sein.
Dass Sexismus und Frauenfeindlichkeit tief in unseren gesellschaftlichen Strukturen verankert sind – und wie sehr wir alle daran mitwirken, diese Muster durch Erziehung, Ignoranz und Wiederholung weiterzugeben – ist manchen vielleicht bewusst. Ein wirksames Gegenmittel gegen diese „toxische Männlichkeit“ haben wir bislang jedoch nur bedingt gefunden.
Neben dem sozialen Umfeld und Social Media prägen nichtzuletzt Filme und Serien unser Verständnis von Geschlechterrollen, Beziehungen und gesellschaftlichen Normen – zwar unterschwellig, dafür aber nachhaltig.

 

 

Von Agent zu Antiheld
Lange galt James Bond als das männliche Ideal: stark, klug, gutaussehend – ein (Frauen-)Held mit Lizenz zum Töten. Doch auch in modernen Serien bleiben stereotype Männerbilder präsent: aggressives Gang-Verhalten in „Peaky Blinders“, patriarchalisch geprägte Heranwachsende in „Euphoria“ oder durchgehendes Macho-Gehabe in „Suits“. Auch in Formaten wie „Succession“, „Vikings“ oder „Joker“ ringen zahlreiche Protagonisten mit ihrer Männlichkeit im Konflikt mit ihren Emotionen und gesellschaftlichen Erwartungen.
Gleichzeitig entstehen zunehmend neue Bilder: Serien wie „Sex Education“, „Normal People“ oder „The Last of Us“ zeigen männliche Figuren, die verletzlich, fürsorglich, sanft und leise sind. Sie machen Hoffnung auf ein verändertes, komplexeres Männlichkeitsbild. Umso erstaunlicher ist es, dass ausgerechnet eine Serie wie „You – Du wirst mich lieben“ über fünf Staffeln hinweg gefeiert wird – obwohl sie das genaue Gegenteil erzählt.

 

„A Guy Like You Should Wear a Warning”
Gerade weil der Diskurs um toxische Männlichkeit so präsent ist, überrascht es, wie beliebt „You“ ist – und wie stark das Verhalten der Hauptfigur Joe Goldberg auf Social Media romantisiert wird. Joe ist narzisstisch, manipulativ und frauenfeindlich, ein Stalker und Serienmörder. Und dennoch ist er der Liebling vieler Zuschauer:innen.
Hauptdarsteller Penn Badgley selbst distanzierte sich mehrfach öffentlich von der Figur und rief zur kritischen Reflexion auf, denn: Die Serie verführt dazu, Empathie für Joe zu entwickeln, sein Verhalten zu rechtfertigen und ihm letztlich sogar zu verzeihen. Auch wenn „You“ eine fiktive „Liebesgeschichte“ erzählt, ist die Verharmlosung männlicher Gewalt kein Einzelfall. Schon „The Ted Bundy Tapes“ stilisierten den echten Serienmörder aufgrund seines guten Aussehens und Charmes zur Popfigur.

Gelungener Gegenentwurf
Eine völlig andere Herangehensweise an das Thema bietet die neue britische Netflix-Miniserie „Adolescence“. In vier Episoden erzählt sie die fiktive Geschichte eines 13-jährigen Jungen, der seine Mitschülerin erstochen hat. „Adolescence“ wirkt fast dokumentarisch – nicht wegen ihrer Brutalität, sondern wegen ihrer Klarheit. Die Serie fragt nicht nur, wie es zu einer solchen Tat kommt, ssondern auch warum: Welche Rolle spielen Eltern, Gesellschaft und Social Media? Statt ein klischeehaft zerrüttetes Elternhaus zu zeigen, macht „Adolescence“ sichtbar, wie tief Misogynie, Gewaltbereitschaft und Online-Hass längst in der gesellschaftlichen Mitte angekommen sind. Es ist kein Randphänomen, es betrifft uns alle.
Die Serie wurde in Großbritannien zum Überraschungserfolg; Zuschauerrekorde wurden gebrochen, mediale Diskussionen angeregt – es folgten sogar politische Reaktionen. „Adolescence“ zeigt: Filme und Serien unterhalten nicht nur, sie können echte Debatten anstoßen. Und vielleicht müssen sie das auch, denn sie halten uns den Spiegel vor. Deshalb ist es auch entscheidend, welche Geschichten auf welche Art erzählt werden – und da täte noch mehr frischer Wind in den Drehbüchern gut.

Fotos Robert ViglaskyNetflix

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Louisa Ferch

Geschrieben von Louisa Ferch

„Ich hoffe, unser Film macht Mut.“

… Es lebe die Vielfalt!