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Melodische Photosynthese

Termin
7. Mai – Pavillon (Hannover)

„BAUM“ – am 2. Februar veröffentlicht Mine ihr neues Album

Mines Musik bedeutet Vielfalt, denn die Sängerin katapultiert uns regelmäßig schnurstracks in neue Klangwelten. Sie ist längst bekannt als Multiinstrumentalistin und eindrucksvolle Texterin. Auch ihr fünftes Soloalbum „BAUM“ bietet eine Menge Abwechslung, inklusive einiger Features, und klingt dennoch unverkennbar nach Mine.
Wir haben die Sängerin kurz vor Weihnachten im Zoom-Gespräch getroffen.

 

Dein Albumrelease rückt immer näher. Steigen langsam die Aufregung und der Promo-Stress oder bist Du nach all den Jahren ganz entspannt?

Ich bin gerade noch voll am Arbeiten. Heute Morgen habe ich noch ein Musikvideo fertiggeschnitten. Also ich bin gerade im Kopf einfach noch zu sehr in den aktuellen Sachen drin, an denen ich arbeite für das Album. Und Promo-Stress… heute ist der erste Interviewtag. Heute habe ich den ganzen Tag Interviews, ist aber nur der erste Tag. Ich muss sagen, wenn ich ganz ehrlich bin, dass mich das am meisten Kraft kostet. Weil man so viel über sich selbst spricht und es ja doch so ein einseitiges Gespräch ist und man dann rausgeht und das Gefühl hat, man hat den ganzen Tag nur geredet – und ist kein bisschen schlauer, weil alle Sachen, die man gesagt hat, wusste man ja schon vorher. Aber noch bin ich nicht gestresst, weil es noch ganz frisch losgeht. Ich glaube, richtig krass ist es dann zum Release. Ich bin dann auch immer ganz froh, wenn es raus ist und ich wieder ins Studio gehen kann oder mich auf live vorbereiten kann. Das macht mir dann auch ein bisschen mehr Spaß.

Wenn man sich Deine letzten beiden Alben und jetzt das neue in einer Reihe anschaut, wirkt es so, als würden sie eine Fortsetzung bilden. Hast Du diese Entwicklung ab einem bestimmten Punkt geplant oder hat sich das organisch ergeben?

Ich habe das erst mit dem jetzigen Album gemerkt. Ich habe mir den Titel rausgesucht und dann habe ich das Cover eigentlich schon direkt in dieser Reihe vor mir gesehen. Und für mich fühlt es sich in diesem Augenblick tatsächlich auch logisch an, dass diese Reise der drei Alben und der Person, die ich da war und jetzt bin, dahingeführt hat. Diese Bilder stehen für mich sehr gut für die Lebensphasen, in denen ich sie geschrieben habe: „Klebstoff“, alles bleibt an einem haften. Dann „Hinüber“, alles verrottet und geht kaputt und „Baum“, jetzt wächst alles und daraus können neue gute Dinge entstehen. Ich bin auch wirklich gerade in sehr glücklichen Phasen meines Lebens und ich habe das Gefühl, dass sehr viele Sachen hier hingeführt haben. Ich kann das sehr genießen, aufgrund dessen, dass es lange Zeit für mich sehr schwierig war und ich echt nicht gedacht hätte, dass ich mal an so einen Punkt komme.

Was ist für Dich der Zauber von Veränderung?

Ich glaube, das Tollste für mich ist die Erkenntnis, dass man sie selbst in der Hand hat — aus einer sehr privilegierten Sichtweise heraus gesprochen. Man hat nicht alles in der Hand, man kann auch nicht alles bestimmen, man kann auch nicht alles werden, was man will. Das kommt immer auf die Ausgangssituation an. Aber was die eigenen Denkstrukturen angeht, kann man sehr viel mehr trainieren als man es sich zutraut, glaube ich. Also die Erfahrung habe ich auf jeden Fall gemacht, dass mehr möglich ist als man denkt. Und das finde ich schon sehr magic.

15 Tracks sind auf dem Album versammelt, dafür ist es mit knapp 30 Minuten ziemlich kurz. Warum hast Du dich für so kurze Songs, teilweise sogar Intros entschieden?

Ich hätte mir ehrlich gesagt gewünscht, dass ich noch einen längeren Track draufhabe, aber es hat sich einfach am Ende nicht so ergeben, weil für mich die Songs immer schon fertig waren. Jetzt noch einen Refrain reinquetschen oder nochmal einen C-Teil machen, nur damit der Song länger ist — das habe ich irgendwie nicht so richtig gefühlt.
Alle Alben, die ich bis jetzt gemacht habe, bestanden aus zehn Songs. Deswegen habe ich auch immer gesagt, ich möchte mehr Songs machen. Ich mache jetzt 15 Songs, weil ich wollte kein Album machen mit zwanzig Minuten, das fand ich irgendwie blöd. Ich glaube tatsächlich, dass sich meine Hörgewohnheiten ein bisschen verändert haben in letzter Zeit durch diese ganze Spotify-Entwicklung. Ich höre auch super viele junge Künstler:innen und viele machen sehr kurze Tracks. Also Domiziana und badmómzjay zum Beispiel, die habe ich viel gehört, und es sind halt Zwei-Minuten-Tracks. Mir hat da auch nix gefehlt. Ich hab’s jetzt nicht forciert, so kurze Songs zu machen, es ist irgendwie so passiert. Und jetzt finde ich es auch geil, weil es ist voll abwechslungsreich und unlangweilig, und das finde ich ehrlich gesagt das Wichtigste, dass ich mich selbst nicht beim Hören langweile.

„So viel Zeit und so viel Geld habe ich noch nie in ein Album gesteckt.“

Über sehr persönliche Themen, zum Beispiel den Tod Deiner Mutter, sprichst Du auf dem Album so klar und deutlich wie noch nie zuvor. Wie fühlt sich das für Dich an, den Song „STAUB“ jetzt in die Öffentlichkeit zu entlassen?

Über die Veröffentlichung an sich denke ich noch gar nicht so nach. Ich habe schon ein bisschen Angst vor der Reaktion. Gar nicht mal deswegen, weil ich denke, dass ich das jetzt mal so gesagt habe. Ich glaube, bei vielem davon bin ich auch irgendwie froh, dass es raus ist. Aber ich habe ein bisschen Angst davor, weil es passiert mir oft und das ist auch nachvollziehbar, dass sich viele Leute mir gegenüber dann auch öffnen, aber ich bin damit sehr überfordert, muss ich sagen. Ich kenne das auch: Ich höre viel Musik und fühle mich dann den Künstler:innen super nahe, weil ich denke, ich kenne sie dann so richtig. Und das geht Leuten, die meine Musik hören auch manchmal so. In diesem Falle ist es ja schon ein sehr privates Thema, und ich habe ein bisschen Angst vor der Konfrontation mit Menschen, die mir ihre Geschichte erzählen. Ich glaube, das ist eher so eine Angst, die ich habe. Aber ich bin sehr ok damit, den Song zu veröffentlichen. Ich habe da noch nicht so viel drüber geredet und irgendwie finde ich das ok, das darüber so gelöst zu haben.

In der Entstehungsphase des Albums hast Du erstmal viel allein vorproduziert, bevor Du Dich mit Deinem Team zusammengesetzt hast. Hast Du Dich dadurch befreiter gefühlt als sonst?

Ich habe eigentlich bei den letzten Alben sehr ähnlich gearbeitet. Das ist jetzt nicht so, dass es ein anderer Arbeitsprozess war. Ich habe mir nur mit jedem Album mehr Produktionsskills draufgeschafft und habe durch diese Arbeit selbst super viel gelernt, sodass mich immer mehr selbst dazu in der Lage fühle, Dinge auch komplett allein zu machen. Ich habe auf jeden Fall wieder mehr allein produziert als bei „Hinüber“. Bei „Hinüber“ habe ich mehr allein produziert als bei „Klebstoff“, das hat sich so gesteigert bis hierhin. Aber ich finde es trotzdem immer wieder super schön mit Markus und Dennis am Schluss nochmal drüberzurutschen. Ganz davon abgesehen, dass wir uns menschlich wahnsinnig gut verstehen, haben wir den gleichen Geschmack und es ist auch geil, wenn die das nochmal approven. Und natürlich haben sie auch nochmal eine ganz andere Kompetenz, teilweise Dinge reinzubringen, die ich so gar nicht in der Lage gewesen wäre zu produzieren. Aber ich mag es auch immer mehr, diese Freiheit zu haben, also unabhängiger zu sein. Aber wenn ich mich entscheiden könnte, würde ich trotzdem immer weiter mit den beiden arbeiten, weil es einfach übelst viel Spaß macht.

Auf Instagram habe ich zwischendurch immer wieder mitbekommen, dass Du beispielsweise einen Knabenchor für die Aufnahmen gesucht hast. Haben die ganzen Vorbereitungen mehr Zeit in Anspruch genommen als bei vorherigen Alben?

Ja, auf jeden Fall. So viel Zeit und so viel Geld habe ich noch nie in ein Album gesteckt. Aber das ist auch das, was am meisten Spaß bringt. Mit jedem Album will ich ja auch neue Dinge ausprobieren, weil ich will mich nicht langweilen. Ich will neue Dinge dazulernen, ich will Sachen machen, die ich noch nie gemacht habe. Es kickt mich einfach. Was mir am Musikmachen am meisten Spaß macht, ist diese Freiheit. Dadurch, dass ich jetzt schon so lange Musik mache, hatte ich auch budgetär mehr Möglichkeiten. Das hätte ich mir früher vielleicht gar nicht leisten können, zu sagen: „Ach, jetzt will ich Hörner haben, dann lade ich mir jetzt mal vier Hörner ins Studio ein.“ Es ist natürlich ein wahnsinnig krasser finanzieller Aufwand und ein Privileg, sowas mal machen zu können — eine künstlerische Freiheit, die mir wahnsinnig viel Spaß bringt. Deswegen: Ja, es hat mehr Zeit und mehr Arbeit gekostet, aber es war ein total spaßiger Ritt.

In den sozialen Netzwerken teilst Du auch regelmäßig Deine Liebe für ausgefallene Instrumente. Welche haben es auf das neue Album geschafft?

Oh gute Frage. Also Harpejji ist auf jeden Fall drauf, ein paar Synthies sind drauf, eine Flöte ist auch drauf – also ein paar verschiedene. Aber die sind nicht so prominent. Ich habe eigentlich in den letzten Alben immer mal einen Song gehabt, wo ein Instrument ganz präsent drauf war und man das besonders gehört hat, dieses Mal ist das ein bisschen gemischt, die tauchen eher immer wieder im Hintergrund auf.

Zum Single-Release von „NICHTS IST UMSONST“ hast Du Dir etwas ganz Besonderes einfallen lassen: ein Online-Suchspiel, bei dem sich durchs Zoomen immer neue Welten öffnen. Neben einem Gewinn ist am Ende auch der Song versteckt. Wie kam es dazu?

Ich habe mal auf TikTok einen Künstler gesehen, der heißt Bobby Chiu, der ist Infinit-Zoom-Künstler und arbeitet viel mit Hollywood. Er hat ein Video abgefilmt, wie er da reinzoomt – und das fand ich so großartig. Und dann habe ich gedacht, das wäre so geil, wenn ich irgend so ein Musikvideo machen könnte. Dann habe ich aber gedacht, was wäre, wenn wir daraus eine Seite machen und wir illustrieren das Album. Die Idee ist schon sehr alt, wir haben daran sehr lange gearbeitet. Dann habe ich erstmal nach Illustrator:innen gesucht und habe auf der Seite der UdK zwei gefunden, die ich beide geil fand. Die kannten sich zufällig schon. Wir haben uns das erste Mal getroffen und über das Konzept geredet. Und dann haben die Zwei eigentlich künstlerisch komplett gemacht, was sie gut finden. Wir haben viele Meetings gehabt, aber ich habe da selbst nichts umgesetzt. Das haben alles Yitong Feng und Sophie Meyerhoff gemacht. Und der Programmierer Moritz Pflüger, – der hat auch noch nie sowas gemacht, der musste sich da nochmal komplett reinarbeiten – der hat dann das Konzept gemacht. Eigentlich war am Anfang die Idee, dass es eine Illustrationsseite ist, und irgendwann haben wir dann aber gemerkt, dass es sich vielleicht nicht so gut erzählt, und haben dann gesagt, lass uns daraus ein Game machen. Die Idee kam von Moritz, und so ist es dann dazu gekommen. Ich muss auch sagen, ich liebe es, wie es geworden ist. Es ist halt ein Kunstprojekt. Das finde ich gerade so geil, dass man verschiedene Kunstarten zusammenbringt und es war eine große Ehre mit denen zusammenzuarbeiten.

Was wünschst Du dir für das neue Jahr?

Ich wünsche mir mehr soziale Gerechtigkeit. Ich wünsche mir, dass soziale Berufe besser bezahlt werden. Ich wünsche mir, dass die Menschen ein bisschen besser miteinander umgehen.

 

Foto Bastian Bochinski

Vergiss nicht, abzustimmen.
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Laura Schlottke

Geschrieben von Laura Schlottke

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