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Die Kraft gepflanzter Samen

Bis zum 12. November ist im Kunstverein Braunschweig die Ausstellung „Tender Seeds in Fragile Spaces“ zu Gast.

Als ich an einem frostigen Mittwochmorgen vor den altehrwürdigen Hallen des Kunstvereins Braunschweig stehe, freue ich mich aus mehreren Gründen schon darauf, was ich gleich erleben darf. Einerseits, weil ich die Ehre habe, der erste Pressevertreter zu sein, der durch die Ausstellung geführt wird und andererseits, weil ich gespannt bin, wie sich dieses sehr ausdrucksstarke und konnotationsschwangere Gebäude mit den progressiven Arbeiten junger Künstler:innen der HBK zusammenführen lässt.

 

Vierzehn Meisterschüler:innen der Hochschule stellen hier aus. Gemeinsam mit dem Kunstverein Braunschweig, der freundlicherweise seine Räumlichkeiten zur Verfügung stellt und die kuratorische Arbeit übernimmt, präsentieren sie ihre Arbeiten. Hauptverantwortlich für den Kurationsprozess sind Jule Hillgärtner und Benedikt Johannes Seerieder. Assistierend unterstützt werden sie dabei von Monja Remmers, doch das Team, das an der Ausstellung in all ihren Facetten beteiligt ist, ist noch sehr viel größer.

Hand in Hand
Als sich die große, schwere Tür vor mir öffnet und ich den Eingangsbereich der Villa betrete, werde ich sofort mit einem eindrücklichen Anblick konfrontiert. Mitten im Raum steht da eine zwar filigrane, aber nicht gerade kleine Plastik aus Keramik. Sie wirkt einerseits, als gehöre sie genau hierher, hat aber in gewisser Weise auch etwas irritierendes, den Raum lebendig machendes.
Während Jule Hillgärtner beginnt, mir etwas über die Arbeit zu erzählen, kommt jemand die Treppe im Nebenraum herunter, der sich mir als Joshua vorstellt. Der Künstler hinter dieser Arbeit. Er ist gerade dabei, die Ausleuchtung seiner Skulptur zu optimieren. Während er mit Jule über noch offene Fragen diskutiert, füllt sich der Raum nach und nach mit immer mehr Künstler:innen, die alle kurz freundlich grüßen und sich dann interessiert an der Diskussion beteiligen.
Dieser Moment ist, wie ich nur wenige Augenblicke später erfahren soll, exemplarisch für den Prozess, in dem diese Ausstellung entstanden ist. Anstatt sich gegenseitig als Konkurrent:innen zu begreifen, arbeiten die beteiligten Künstler:innen Hand in Hand, treffen gemeinsam Entscheidungen, diskutieren in der Gruppe offene Fragen und sorgen so dafür, dass nicht nur ihre eigenen Arbeiten, sondern die Ausstellung in ihrer Gesamtheit bestmöglich funktioniert. Eine bemerkenswerte Kollegialität.
Mit diesem Hintergrundwissen ist es um so spannender, die sich teilweise in Material und Inhalt überschneidenden Arbeiten im Verhältnis zueinander anzusehen. Gerade deshalb, weil sie alle ihrer völlig eigenen ästhetischen Linie folgen. Und dennoch wirken sie, jedes für sich, in Symbiose mit dem Raum, in dem sie ausgestellt sind und in diesen hinein.

 

Die Vielfallt der Kunst
Die Ausstellung findet in dieser Form und in diesen Räumlichkeiten nun bereits zum fünften Mal statt. Seit 2020 bekommen hier alle derzeitigen Meisterschüler:innen der HBK die Möglichkeit, ihre Arbeiten zu präsentieren und die Erfahrung einer solchen Ausstellung zu machen. Das tolle an diesem Konzept ist, dass die künstlerische Vielfallt, die unter den Freien Künstler:innen an der HBK und innerhalb der Stadt Braunschweig existiert, abgebildet wird. Diese zeigt sich in „Tender Seeds in Fragil Spaces“ zum einen im verwendeten Material und zum anderen in den sich stark unterscheidenden Herangehensweisen an die jeweiligen künstlerischen Prozesse.

 

Profis am Werk
Der Titel der Ausstellung, der auf die Zerbrechlichkeit des Anfänglichen verweist, ist, zumal sich auch einige der gezeigten Arbeiten mit dem Thema Zerbrechlichkeit auseinandersetzen, sicherlich gut gewählt. Und doch begegnet mir auf meinem Weg durch die Räumlichkeiten des Kunstvereins immer wieder eine starke Klarheit, die sich fernab aller Unsicherheiten und Zerbrechlichkeit bewegt.
Es ist eindeutig zu erkennen, dass hier selbstbewusst und zielstrebig Entscheidungen getroffen wurden und es sehr konkrete Vorstellungen davon gibt, was die Kunst braucht, um bestmöglich inszeniert zu werden. Und diese Klarheit der Künstler:innen ist so selbstverständlich, dass immer auch genug Zeit bleibt, nach rechts und links zu gucken, um allen Kunstwerken die bestmögliche Ausstellung zu bieten. Ich bin beeindruckt und empfehle dringend einen Besuch.

Foto Jannick Stühff

Vergiss nicht, abzustimmen.
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Jannick Stuehff

Geschrieben von Jannick Stuehff

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