Wie überzeugend ist die Comedy-Serie „Späti“ von und mit Wilson Gonzalez-Ochsenknecht?
Es ist ein Clip mit Bill Kaulitz im Muscle-Shirt, das Anfang April auf Social Media für Aufmerksamkeit sorgte: Der kultige Tokio Hotel-Frontmann betritt einen Kiosk, faselt etwas von Stahlwolle und einem Schlüssel, hinterm Tresen steht ein verplanter Typ mit labberigem Band-Shirt und Cap, verkörpert von Wilson Gonzalez-Ochsenknecht. Er spielt die Hauptrolle Fred in seiner ersten Comedy-Serie „Späti“, die seit dem 8. April auf ZDFneo ausgestrahlt wird. Produziert wurde die Serie von der bildundtonfabrik („Neo Magazin Royale“), das Drehbuch stammt unter anderem von Patrick Stenzel („How to Sell Drugs Online (Fast)“). Immer mehr deutsche Celebrities lassen auf ihren Kanälen durchblitzen, dass sie ebenfalls einen Auftritt in der Serie haben – mit von der Partie sind beispielsweise Sophie Passmann, Alli Neumann und Ski Aggu. In den viel geklickten Teasern werden die Erwartungen an die Serie entsprechend hochgesteckt: Das Setting ist lässig, das Staraufgebot hoch und die Ästhetik weckt die Sehnsucht nach lauen Sommernächten und einem Wegbier im Viertel.
Eigentlich bringt „Späti“ alles mit, was es für modernen deutschen Serienstoff braucht: Underdogs als Main-Character, krasse Cameos und natürlich Berlin. Aber genau diese drei Grundzutaten sind es, die diesmal nicht so richtig funktionieren wollen.
Stets bemüht
Die Idee hinter „Späti“ ist offensichtlich: Kecke Unterhaltung zwischen Urban-Sitcom und Milieustudie – schließlich ist Berlin ja so bunt, verrückt und vielseitig und nirgends trifft alles so zusammen wie im Spätkauf; dem Notfall-Laden für alle Fälle, der Straßen-Kneipe, dem Treffpunkt im Kiez. 44 Quadratmeter, gefüllte Regale voller Snacks, Drinks und Kippen und mit einer immer offene Tür – lasset die Klischees hinein!
Die Serie leidet an genau dieser Grundidee, denn es fehlt mitunter an Innovation. Man kennt die Figuren bereits, bevor sie sprechen – und wenn sie das tun, hinken die Dialoge. Timing und Storytelling könnten schlicht etwas mehr Pep vertragen. Unzählige Gastauftritte helfen dabei nur bedingt.
Es wirkt, als müsse Wilson Gonzalez-Ochsenknecht selbst noch warm mit seinem eigenen Serien-Projekt werden und würde erst mit der Zeit in seine Rolle hineinwachsen – genau wie Fred in seiner Funktion hinterm Tresen, der zwar maßlos überfordert ist, aber stets bemüht ist, alles am Laufen zu halten. Aber: Lauwarmes Bier ist besser als gar kein Bier, und so sollte man der Sache dennoch eine Chance geben.
Besser späti als nie
Schafft man es, die ersten vier Folgen zu überdauern, kommt man doch noch in einen kleinen Watch-Flow, denn inmitten vieler wackliger Szenen entwickelt sich eine leise, süße Geschichte: Der Späti muss gerettet werden und dafür braucht es gute Freunde. So macht es letztlich doch Spaß mitanzusehen, wie alle skurrilen Figuren sich wandeln und zusammenwachsen. Und hier entpuppt sich ganz langsam der wahre Charme der Serie: Die träumerisch-naive Stimmung der chaotischen Charaktere und das Gefühl, dass schon alles irgendwie gut werden wird. Dass man nur zusammenhalten muss und nicht aufgeben darf. Das ist zwar keine tiefgründige Message, aber manchmal vergisst man selbst das.
Ganz mithalten mit vergleichbaren Serienhits kann „Späti“ allerdings nicht: Während beispielsweise „Die Discounter“ mit improvisiertem Wahnsinn überzeugen oder „Jerks“ vom absoluten Mut zur Peinlichkeit lebt, fehlt das gewisse Etwas bei der neuen ZDFneo-Serie an entscheidenden Stellen. Dennoch kommen wir nicht umhin, dass wir immer etwas übrig haben werden für planlose Typen mit Bandshirts – und für Spätis sowieso.
Fotos ZDF und Norman Keutgen