Guck mal Mama, ich mache Theater!

Am 29. Juni geben sassy fires mit „Mama weiß Bescheid“ ihr professionelles Braunschweiger Bühnen-Debüt im LOT-Theater.

Das Nachwuchs- und Förderprogramm deBühne des Theaterhaus Hildesheim unterstützt junge, in Niedersachsen ansässige, Künstler:innen dabei, einen Einstieg in die professionelle freie Theaterszene zu finden. Das ist auch für Braunschweigs Theaterlandschaft ein großes Glück, da auf diesem Wege oftmals Kooperationen mit dem LOT-Theater entstehen, welche uns an dem kulturellen ‚latest shit‘ unserer Nachbarstadt teilhaben lassen. So etwa auch an der aktuellen Inszenierung des Kollektivs sassy fires: „Mama weiß Bescheid“. Wir sprachen mit den Künstlerinnen Jannika Fricke, Nele Rennert und Leo Vieler über ihre künstlerische Motivation, ihr Theaterverständnis und natürlich ihre Mamas.

 

Worum geht es in eurer aktuellen Produktion?
Nika Ganz knapp? Über Mutter-Tochter-Beziehungen. Über unsere Mütter, uns als Töchter und unsere individuelle Beziehung zueinander.
Leo Und um uns als potenzielle Mütter.
Nele Und um Wertschätzung.

Über was weiß Mama alles Bescheid?
Leo Mama weiß Antworten auf Fragen, die ich ihr noch nicht mal gestellt habe.
Nika Uff, ich habe manchmal die Befürchtung, dass meine Mama mehr weiß als ihr guttun würde. Und mir. Da muss es auch gar nicht in erster Linie um das Wissen an sich gehen – meine Mama hat einfach ein beeindruckendes Timing und scheint oft sehr genau zu wissen, wann ich sie brauche, bevor ich das selber realisiere.
Nele Mama weiß, wo die Porzellanstifte sind, die wir vor acht Jahren das letzte Mal benutzt haben.

Weiß Papa auch Bescheid?
Nika Naja. Papa weiß Bescheid, wenn er Mama gefragt hat.
Leo Und es gibt definitiv Fragen, bei denen ich Papa anrufe und nicht Mama.
Nele Und Papa weiß manchmal ganz genau, was er sagen muss, damit es mir besser geht.

Warum gerade dieses Thema? Wie kamt ihr auf die Idee?
Nele Wir saßen mit Sekt auf meinem Balkon und Leo hat eine Geschichte nach der anderen über ihre Mutter rausgehauen. Da war uns allen klar: Das muss auf die Bühne.
Leo Ja und dann ist uns aufgefallen, dass uns noch ganz viele andere Dinge zu dem Thema Mutter-Tochter-Beziehung hochgekommen sind.
Nika Gesellschaftlich sowie politisch wird die „Position“ der Mutter mit so vielen Erwartungen und Ansprüchen konfrontiert, wodurch ein so absurdes, geradezu utopisches Idealbild erschaffen wurde, dass wir das Gefühl haben, dass es Mamas sehr schwer gemacht wird, auch selbst davon überzeugt zu sein, das Beste gegeben zu haben.
Leo Weil von allen reingeredet und ihnen das Gefühl gegeben wird, gar nichts wirklich richtig machen zu können. Dabei ist das doch Quatsch – meine Mutter hat auch nicht alles perfekt gemacht – und trotzdem oder grade deswegen ist sie wirklich richtig toll!
Nele Wir wollen diese Umstände und Strukturen sichtbar machen.

Was treibt euch bei eurer Arbeit an?
Leo Ganz viel Koffein.
Nele Und Spaß. Und das Bedürfnis einen Platz für Menschen zu schaffen, an dem sie sich gesehen fühlen. Vor allem für Menschen, die ganz oft unter den Tisch fallen. Oder deren Arbeit als selbstverständlich angesehen wird.

An wen richtet ihr euch mit eurer Kunst?
Nika Ganz grundsätzlich erstmal an alle, die sich für unsere Themen interessieren. Wir machen allerdings natürlich schon eher Performances für Menschen, deren Erfahrungen sich zu einem gewissen Teil mit unseren decken und die sich mit unseren Thematiken identifizieren können oder sich zumindest von ihnen angesprochen fühlen.

Macht ihr feministisches Theater? Und wenn ja, was versteht ihr darunter?
Nika Absolut! Für mich hat das viel mit Sichtbarmachung, Reflexion, Austausch und Solidarisierung zu tun. Wir erzählen viel von uns; eröffnen Erfahrungsräume, die dazu einladen, sich mit einem bestimmten Thema auseinanderzusetzen. Das sind vor allem Themen, die uns selbst betreffen und von denen wir das Gefühl haben, dass darüber gesprochen werden sollte.
Leo Es geht uns dabei vor allem darum, Spaß zu haben und ein gutes, empowerndes Gefühl zu vermitteln, sodass wir alle am Ende des Abends rausgehen und uns gemeinsam selbst feiern.

Welche Ansprüche habt ihr an „gutes“ Theater?
Nika Ach herrje. Naja… was ist schon „gutes“ Theater? Ich erfreue mich an Theater, das sich etwas traut, mutig und offen für Experimente ist. Das mich nicht belehrt, sondern mich reflektieren lässt, wenn ich das möchte. Ich freue mich über Theater, das tiefgründig und emotional ist. Es ist auch schön, einfach mal gut unterhalten zu werden – zu sehen, dass die Menschen Spaß an dem haben, was sie machen – die Dynamik stimmt.

Wie seid ihr zum Theater gekommen? Warum habt ihr das Performative als eure Kunstform auserkoren?
Nele Wir haben alle so unsere Vergangenheit mit Sprechtheater. Auf unterschiedlichsten Wegen haben wir für uns erkannt, dass das Spiel mit den persönlichen Inhalten auf performative Art und Weise einen Mehrwert bietet, mit dem wir auf der Bühne spielen.
Nika Darin habe ich ganz anderes Potential für mich erkannt. Das ist klasse!
Leo Wir könnten ja auch Texte schreiben oder Lieder oder so. Wir möchten diesen Themen aber auch einen großen Raum geben. Und das Performative ermöglicht uns das Beieinandersein und das kollektive Erleben. Für uns ist es eben das Richtige.

Wie ist der Einstieg in die professionelle freie Theaterszene?
Nika Herausfordernd und spannend. Wir haben in kürzester Zeit wirklich enorm viel dazugelernt und gemeinsam die eine oder andere Hürde überwunden. Das lässt natürlich manchmal unsere Köpfe rauchen.

Wie finanziert ihr euch?
Leo Über Förder:innen in Hildesheim und Braunschwieg.
Nele Da schreibt man dann so schöne Anträge und fragt, ob die Lust hätten, einen zu unterstützen. Wir dürfen uns glücklich schätzen, so einige Förderpartnerschaften gefunden zu haben.

Ist es schwierig, an Gelder für Projekte wie eures zu kommen?
Nele Ich glaube, das ist für uns gerade schwer einzuschätzen.
Leo Wir hatten auf jeden Fall wunderbare Menschen an unserer Seite, die uns geholfen haben, alle Materialien zu erstellen, sodass sie offensichtlich ansprechend genug waren, dass wir dieses Projekt vernünftig auf die Beine stellen können.

Womit dürfen wir als nächstes rechnen?
Nele Das wissen wir selbst noch nicht so genau. Aber ihr könnt auf jeden Fall mit ganz viel Spaß rechnen. Das ist aber noch nicht spruchreif.
Nika Die nächste Popschlacht wartet schon in unseren Köpfen drauf, durch den Strudel dämlicher Einfälle gezogen zu werden!

Bleibt ihr uns in der Region erhalten oder steht ihr schon mit einem Bein in der nächstbesten Millionenstadt?
Nika Mal sehen, was die Zeit mit sich bringt – feste Pläne gibt es bisher jedenfalls nicht.
Leo Wir spielen super gerne in Hildesheim und Braunschweig. Jetzt, wo wir hier so viele tolle Menschen kennengelernt haben, wollen wir die auf jeden Fall nicht missen und werden wohl noch ‘ne Weile mit einem Bein in der Region stehen bleiben.

Fotos Nina Hecken

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Jannick Stuehff

Geschrieben von Jannick Stuehff

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